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6 DIE EINRICHTUNG DER THEOLOGISCHEN FAKULTÄT IM JAHR
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der Innsbrucker Universität eine besondere Rolle im System der österrei-
chischen hohen Schulen zu verschaffen, nämlich die einer besonders katho-
lischen Universität. Das erste Mal tauchte dieses Projekt – und als solches
kann man es wohl am ehesten bezeichnen112 – in einem Memorandum von
Karl Ernst Jarcke auf.113 Dieser hatte am 5. August 1849, also kurz nach
dem Amtsantritt von Leo Thun, dem frischgebackenen Minister einige Rat-
schläge für seine zukünftige Rolle als Minister mit auf den Weg gegeben.
Neben einigen allgemeinen Ratschlägen zu seinen Ansichten über die zu-
künftige Gestaltung des österreichischen Unterrichtswesens, findet sich dort
unter Punkt 5 der Vorschlag:
Will die Regierung eine Universität schaffen, auf welcher kirchlich und po-
litisch conservative Tendenzen vorzugsweise gepflegt werden, so ist vorläu-
fig Inspruck der einzige dazu geeignete Ort in der Monarchie. Ein Versuch
solcher Art, der in Wien und Prag vielleicht höchst bedenklich wäre, jeden-
falls dort aber schwerlich einen Boden für eine bessere Saat fände, würde in
Tirol mit begeistertem Jubel aufgenommen werden und nach dem Süden von
Deutschland wie nach Italien hin nur wohltätig wirken.114
Jarckes Vorschlag ist zwar nicht ganz eindeutig, jedoch scheint dieser eine
gewisse Mittelstellung einzunehmen zwischen den bisher gesehenen Forde-
rungen zur Gründung einer katholischen Universität und der Re-Katholi-
sierung sämtlicher Universitäten. Die Universität, Innsbruck in dem Fall,
sollte jedenfalls ein Alleinstellungsmerkmal besitzen, nämlich die Pflege
kirchlich und politisch konservativer Tendenzen. Im Hinblick auf das At-
tribut „kirchlich“ bedeutet konservativ wohl eine Orientierung an Rom. Die
Lage Tirols war in diesem Zusammenhang wesentlich, zumal Tirol (der „Kir-
chenstaat Habsburgs“115) den Ruf als besonders katholisches Land innerhalb
der Monarchie besaß und es in der Mitte zwischen Deutschland und Italien
lag und so – um im Bild zu bleiben – ein Stück des Weges über die Berge
nach Rom bereits vollbracht war.116 Seit der Revolution von 1848 hatte sich
112 Vgl. Daniel defoe, Ein Essay über Projekte. London 1697 (= Edition Transfer), Wien 2006.
Vgl. dazu auch die Wahrnehmung von Gasser selbst: Gasser an Fessler, Brixen 07.04.1857,
Nachlass Fessler 3, Diözesanarchiv St. Pölten.
113 Abgedruckt bei Lentze, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo Thun-Hohenstein,
S. 295–299.
114 Ebenda.
115 Rupert kLieBer, Jüdische, christliche, muslimische Lebenswelten der Donaumonarchie.
1848–1918, Wien 2010, S. 131.
116 Auf die Konstruktion dieses Bildes kann hier nicht näher eingegangen werden, verwiesen
sei auf Florian HuBer, „Kulturkämpfer“. Vinzenz Gasser und der Katholizismus in Tirol
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen