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6.5. DIE STELLUNG DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK 359
dieses Selbstverständnis der besonders glaubenstreuen Tiroler zudem noch
verstärkt und schon in der Debatte um eine mögliche Vervollständigung der
Universität im Jahr 1848/49 wurde mehrfach hervorgehoben, dass gerade in
Tirol eine Universität besonders fruchtbar wirken könne.
Dass Jarcke dem Minister einen solchen Rat gab, verwundert auch des-
halb nicht, da der Görreskreis, dem Jarcke auch zuzurechnen ist, bereits im
Vormärz enge Verbindungen nach Tirol geknüpft hatte.117 Dass mit Jarcke
ausgerechnet ein ehemaliger Mitarbeiter der Staatskanzlei Fürst Metter-
nichs den neuen Unterrichtsminister beriet, ist zwar symptomatisch für die
sich anbahnende Restauration nach der Revolution, dennoch riet Jarcke in
seinem Memorandum Thun nicht zu einer Rückkehr zum Unterrichtssys-
tem des Vormärz, vielmehr kanzelte er dieses System ab und empfahl einen
radikalen Neubeginn. Ob der Vorschlag, der Innsbrucker Universität einen
besonders katholischen Charakter zu verleihen, von ihm selbst stammt, er
von der allgemeinen Debatte um die Errichtung einer katholischen Univer-
sität inspiriert war oder man aus seinen Worten vielleicht sogar schließen
könnte, dass es in der Regierung selbst einen solchen Plan gab, lässt sich
nicht klären.
Dass die Universität Innsbruck eine besonders katholische Universi-
tät werden sollte, wurde indes auch bald darauf öffentlich ventiliert. Kurz
nach der Berufung von George Phillips118 freute sich nämlich ein anonymer
Schreiber in den Akademischen Monatsschriften, dass mit der Berufung von
Phillips ein erster Schritt getan sei, aus „Innsbruck die katholische Universi-
tät kaτ′ exochην “119 zu machen.
Außerdem wurde das Projekt nicht nur von Jarcke propagiert, sondern
auch vom Wiener Nuntius Viale-Prelà, der im Frühjahr 1851 einen aus-
führlichen Bericht120 über die Situation der Universitäten in Süddeutsch-
land und der Habsburgermonarchie an das Staatssekretariat des Vatikans
sandte. Ausgehend vom Befund, dass in den meisten Universitäten Süd-
deutschlands der Pantheismus herrsche, hob er lobend einige Entwicklun-
gen hervor, die in Österreich durch den Amtsantritt von Leo Thun erreicht
worden waren. Der Nuntius kam zwar auch in diesem Bericht nicht umhin,
zunächst die zwiespältige Haltung Thuns in Fragen des Unterrichtswesens
1830–1876, in: Der Schlern 84 (2010), S. 39–59; HuBer, Konfessionelle Identitätsbildung
in Tirol. Vgl. auch ein zeitgenössisches Urteil o. autor, Aus Tirol, in: Der Katholik. Eine
religiöse Zeitschrift zur Belehrung und Warnung, Neue Folge 3/4 (1851), S. 180–184.
117 Siehe PriescHing, Maria von Mörl (1812–1868), S. 301–318; grass et al., Görres und Tirol.
118 Vgl. dazu Kapitel 5.2.
119 Akademische Monatsschrift 1850, S. 300.
120 Nuntiaturbericht, Wien 10.05.1851, Arch. Nunz. Vienna, Vol. 323 (IV), Nr. 567, Vatikani-
sches Geheimarchiv.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen