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6.5. DIE STELLUNG DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK 363
Thatsache, daß der großen Mehrzahl der deutschen Universitäten ihr aus-
schließlich oder doch ganz vorwiegend protestantischer Charakter sorgsam
gewahrt wird, nur billig und wünschenswerth finden können, wenn wenigs-
tens die Besetzung einzelner Hochschulen katholischen Eltern, welche darauf
Werth legen, Garantien bietet, daß der Sohn, zumal in der ersten Studienzeit
nicht vorwiegend unter dem Einflusse von Lehrern steht, welche den religiö-
sen Anschauungen, in welchen er erzogen ist, wenn nicht feindlich, mindes-
tens fremd gegenüberstehen.132
Um die Hegemonie des Protestantismus an den Universitäten zu brechen,
war es aus seiner Sicht daher nötig, katholischen Studenten eine gute Aus-
bildung zu ermöglichen, ohne dass sie durch konfessionelle Beschränkungen
darin beeinträchtigt würden. Die Perspektive, die Ficker hier einnimmt, ist
ähnlich zu jener, die sein wissenschaftliches Werk kennzeichnet, nämlich,
dass das vormals bestandene Reich die partikularen Bestrebungen der ein-
zelnen Teile aufgefangen hatte.133 Österreich sollte in dieser Hinsicht, ge-
wissermaßen in Fortführung dieses Reichsgedankens, jenen eine (geistige)
Heimat bieten, die in ihren eigentlichen Heimatländern keine mehr fanden.
Gleichzeitig lässt sich im Wunsch, die protestantische Hegemonie in wissen-
schaftlichen aber auch weltanschaulichen Fragen zu brechen, bereits die we-
nige Jahre später folgende Kontroverse zwischen Julius Ficker und Heinrich
Sybel erahnen.134
Dieses Motiv äußert sich auch in Briefen des bereits mehrfach genannten
Justin Linde. Dieser betonte wiederholt die Notwendigkeit eines katholi-
schen Gegengewichts zu den protestantischen Universitäten und sah in dem
Aufschwung der österreichischen Hochschulen den ersten Schritt, um die
132 Julius ficker, Die Universität, in: Volks- und Schützenzeitung für Tirol und Vorarlberg,
136 (12.11.1858), S. 789–791. Jung, Julius Ficker (1826–1902), S. 288–289 erwähnt auch,
dass Ficker diesen Artikel auch an Freunde in Westfalen versandt hatte, um damit die
Werbetrommel für die Innsbrucker Universität zu rühren.
133 Vgl. dazu auch die Einschätzung der Position Fickers bei Thomas BrecHenmacHer, Julius
Ficker. Ein deutscher Historiker in Tirol, in: Geschichte und Region. Storia e Regione 5
(1996), S. 53–92; Thomas BrecHenmacHer, „Österreich steht außer Deutschland, aber es
gehört zu Deutschland.“ Aspekte der Bewertung des Faktors Österreich in der Deutschen
Historiographie, in: Michael Gehler/Rainer F. Schmidt/Harm-Hinrich Brandt/Rolf Steinin-
ger (Hgg.), Ungleiche Partner? Österreich und Deutschland in ihrer gegenseitigen Wahr-
nehmung. Historische Analysen und Vergleiche aus dem 19. und 20. Jahrhundert, Stutt-
gart 1996, S. 31–53, hier S. 36–38.
134 Vgl. dazu Thomas BrecHenmacHer, Wieviel Gegenwart verträgt historisches Urteilen? Die
Kontroverse zwischen Heinrich von Sybel und Julius Ficker über die Bewertung der Kai-
serpolitik des Mittelalters (1859–1862), in: Ulrich Muhlack (Hg.), Historisierung und ge-
sellschaftlicher Wandel in Deutschland im 19. Jahrhundert, Berlin 2003, S. 87–112.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen