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6 DIE EINRICHTUNG DER THEOLOGISCHEN FAKULTÄT IM JAHR
1857372
(Filippo Maria Guidi OP175 und Clemens Schrader SJ176) an die theologische
Fakultät der Wiener Universität berufen, sodass die Freude beim Nuntius
gleich zweifach war. Dementsprechend war auch die Euphorie in katholi-
schen Kreisen groß. Die Symbolik dieser beiden Ereignisse war eindeutig:
Einerseits manifestierte sich darin der gewachsene Einfluss der Kirche nach
dem Abschluss des Konkordats, gleichzeitig waren es nicht moderate, son-
dern mit den Jesuiten in Innsbruck und den beiden neu berufenen Professo-
ren in Wien dezidiert papsttreue Kräfte, die nach Österreich berufen worden
waren. In theologischer Hinsicht verwies die Berufung der Jesuiten sowie
Schraders und Guidis auf die zukünftige Entwicklung der zunehmenden
Verbreitung der jesuitischen/römischen Richtung der Neuscholastik.177
Diese Symbolik war auch ein Grund, warum die Eröffnung der Fakultät in
liberalen Kreisen auf heftige Kritik gestoßen war. Die Übergabe der Fakultät
an die Jesuiten war eine wesentliche Ursache, warum Leo Thun von Zeitge-
nossen und der Geschichtsschreibung oftmals negativ beurteilt worden war.178
So wird etwa Grillparzers berühmtes Epigramm von 1857 auf Leo Thun:
Einen Selbstmord habe ich euch anzusagen,
Der Kultusminister hat den Unterrichtsminister totgeschlagen.179
als Reaktion auf dieses Ereignis gedeutet. Für Innsbruck lässt sich neuerlich
Adolf Pichler nennen, der seine Kritik an den Jesuiten zu dieser Zeit nur in
Briefen geäußert hatte. An Karl Thaler, der sich bei Pichler über die Lehrtä-
tigkeit der Jesuiten in Innsbruck erkundigte180, schrieb Pichler, dass von den
Professoren der theologischen Fakultät keiner einen wissenschaftlichen Ruf
besäße und beklagte sich darüber, dass die Jesuiten ihren Studenten verbie-
ten würden, Vorlesungen an anderen Fakultäten zu besuchen. Pichler war
175 Filippo Maria Guidi (Bologna 1815–1879 Rom), ab 1857 Prof. an der Universität Wien, ab
1863 Kardinal.
176 Clemens Schrader SJ (Itzum 1820–1875 Poitiers), ab 1857 Prof. für Dogmatik an der Uni-
versität Wien, 1870 Enthebung vom Amt, anschließend Prof. am Collegium Romanum, ab
1872 am Priesterseminar in Poitiers.
177 Vgl. zur Ausrichtung der Innsbrucker theologischen Fakultät auch bei goLLer, Katholi-
sches Theologiestudium an der Universität Innsbruck vor dem Ersten Weltkrieg (1857–
1914), S. 46–47; zu Schrader bei Manfred weitLauff, Schrader, Clemens, in: Neue Deut-
sche Biographie, Bd. 23, Berlin 2007, S. 510–511.
178 Besonders moLiscH, Die deutschen Hochschulen in Österreich und die politisch-nationale
Entwicklung nach dem Jahre 1848, S. 17 nennt explizit die Innsbrucker theologische Fa-
kultät. Vgl. dazu Kapitel 1.3.2.
179 griLLParzer, Sämtliche Werke, S. 550.
180 Thaler an Pichler, Wien 03.12.[1860], GSK 74/IV, 5, 3, Goethe- und Schiller-Archiv, Wei-
mar.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen