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7.2. SPRACHEN UND SPRACHENFRAGE ALS KONFLIKTPUNKT INNERHALB DER UNIVERSITÄT 385
tionellen Recht der italienischen Studenten und betonte die Notwendigkeit
auf Italienisch zu prüfen, schon aus dem Grund, weil ansonsten zahlreiche
Studenten nicht im Stande wären, eine Prüfung abzulegen. Außerdem ver-
wies man darauf, dass es für eine Anstellung als Professor in Innsbruck
seit jeher notwendig gewesen war, Italienisch zu sprechen, sodass auch
jeder Professor, mit Ausnahme des Polen Josaphat Zielonacki, Italienisch
spreche.42 Zur Abwendung des Erlasses beschloss die Fakultät mit Unter-
stützung des Vorsitzenden der Prüfungskommission, Johann Nepomuk Eb-
ner-Rofenstein, Protest beim Ministerium einzulegen. Außerdem mussten
die Sitzungsberichte der Fakultät regelmäßig an das Ministerium nach Wien
gesendet werden, sodass der heftige Widerspruch, der in der Sitzung der Fa-
kultät zum Ausdruck gebracht worden war, auch auf diesem Weg im Minis-
terium bekannt werden würde.
Zudem wandte sich Karl Ernst Moy de Sons auf privatem Weg an Thun.
Moy hoffte wohl, dass ein privater Brief gepaart mit seinem erhofften Ein-
fluss bei Thun mehr Erfolg haben werde als der offizielle Protest der Uni-
versität. Dies ist insofern von Interesse, weil das Beschreiten dieser drei
unterschiedlichen Kommunikationskanäle auch verdeutlicht, dass den Pro-
fessoren bewusst war, welche Mechanismen bei der Entscheidungsfindung
in universitären Fragen von Bedeutung waren. Eine ähnliche Strategie –
offizielle Eingaben verstärkt mit privaten Bitten – konnte auch bei Persona-
lentscheidungen beobachtet werden und dort war diese vielfach erfolgreich
gewesen. Moy äußerte sich also gegenüber Thun verstimmt zu dem Erlass
und beschwerte sich auch über die darin ausgesprochene Kritik an den Pro-
fessoren, indem er sowohl auf den Grundsatz „der Gleichberechtigung der
Sprachen“43 als auch auf die Lehr- und Lernfreiheit verwies. Moy glaubte
sogar, dass der Erlass dem Minister von einem übereifrigen Beamten un-
tergeschoben worden sei. Er betonte jedoch in gewohnt devoter Haltung,
sich jedem Erlass des Ministers fügen zu wollen, sollte er dem Willen des-
selben entsprechen. Die Antwort Thuns ist nicht überliefert, aber der dar-
auffolgende Brief Moys44 lässt keinen Zweifel daran, dass es Thun durch-
aus ernst mit dem Erlass gewesen war. Moy gestand in der Folge zwar ein,
dass er sich mit dem Hinweis auf die Gleichberechtigung der Sprachen „auf
Schlagwörter des Jahres [18]48“45 berufen hatte, was Thun nicht gelten las-
42 Sitzungsprotokoll, Innsbruck 04.12.1854, Sitzungsprotokolle der Juridischen Fakultät,
1854/55, Nr. 263, Universitätsarchiv Innsbruck.
43 Moy an Thun, Innsbruck 08.12.1854, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI D308, Staat-
liches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
44 Moy an Thun, Innsbruck, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI D322, Staatliches Ge-
bietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
45 Ebenda.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen