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7.2. SPRACHEN UND SPRACHENFRAGE ALS KONFLIKTPUNKT INNERHALB DER UNIVERSITÄT 387
che hatten. Mit der Studienordnung von 1850 wurde die Möglichkeit des Pri-
vatstudiums abgeschafft, so „daß ein Studium ohne Besuch der öffentlichen
Vorlesungen künftig weder zur Ablegung einer strengen Prüfung, noch zur Be-
stehung einer Staatsprüfung, welche ein Fakultätsstudium voraussetzt, befä-
higt.“49 In der juridischen Studienordnung von 1855 wurde dies grundsätzlich
bestätigt, die dort angeführten Möglichkeiten diese Regelung zu umgehen, soll-
ten nur „ausnahmsweise“ angewendet werden.50 Auch fällt neuerlich der Ver-
weis auf die Universität als „deutsche“ Institution auf, während Moy neutraler
von einer „Landesanstalt“ im zweisprachigen Tirol gesprochen hatte.
Ein Nebenschauplatz der Auseinandersetzung war im Übrigen die Frage,
ob den Studenten der Erlass im Wintersemester 1854 ausreichend angekün-
digt worden war, zumal man in Innsbruck nun überrascht reagierte. Der
Vorwurf lautete, dass Carl Beidtel, der im Studienjahr 1854/55 Dekan der
juridischen Fakultät war, das Dekret den Studenten nicht genügend be-
kannt gemacht hatte.51 Die Anschuldigung wurde jedoch im Februar durch
eine Stellungnahme seitens des Professorenkollegiums entkräftet.52
Moy, nun selbst Dekan, hatte sich, nachdem sein Vorsprechen bei Thun
wenig gefruchtet hatte, mit der Bitte an den Statthalter Erzherzog Karl
Ludwig gewandt, ein Aufweichen der strengen Handhabung zu beantragen.
Karl Ludwig, der um drei Jahre jüngere Bruder des Kaisers, kam diesem
Ansuchen nach und wandte sich noch im Jänner 1857 an Thun und unter-
breitete diesem nochmals Moys Antrag, die Regelung für die Südtiroler Stu-
denten zu lockern. Auch er anerkannte zwar den Erlass und die Regelung,
dass an einer deutschen Universität der Unterricht in Deutsch erteilt werde,
er befürchtete jedoch, dass die italienischsprachigen Studenten dann nach
Padua und Pavia ausweichen würden, wo sie
der Bekanntschaft der deutschen Sprache, und dem deutschen Leben völlig
entfremdet und überdies der Universität viele der besten Studenten entzogen
werden, abgesehen davon, dass durch eine allzustrenge Durchführung dieser
Maßregel wohl auch das Nationalgefühl des italienischen Antheils von Tirol
etwas gereizt werden könnte.53
49 Erlaß des Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 1. Oktober 1850, RGBl 370/1850, § 50.
50 Siehe Erlass des Ministeriums für Cultus und Unterricht vom 2. October 1855, RGBl
172/1855, § 7.
51 Thun an die Statthalterei, Wien 25.12.1856, Statthalterei Studien 1109/1856, Tiroler Lan-
desarchiv.
52 Kiechl an die Statthalterei, Innsbruck 07.02.1857, Statthalterei Studien 2292 ad
1109/1857, Tiroler Landesarchiv.
53 Karl Ludwig an Thun (Konzept), Innsbruck 14.01.1857, Statthalterei, Präsidialakten,
33/1857, Tiroler Landesarchiv.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen