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7 DIE UNIVERSITÄT UND DIE NATIONALEN AUSEINANDERSETZUNGEN
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der Universität gefährdet“72 sei. Die versammelte Wählerschaft fasste da-
her die Resolution, sich gegen „den Fortbestand und die weitere Ausgestal-
tung der an der Innsbrucker Universität eingeführten italienischen Paral-
lelkurse“73 zu verwahren. Umgekehrt empfanden die italienischsprachigen
Studenten und Professoren diese Lösung als unbefriedigend und drängten
zunehmend auf eine eigene Universität („Trieste o nulla“).74 Die Auseinan-
dersetzungen hierzu sind in jüngster Vergangenheit ausführlich dargestellt
worden, mit einem besonderen Fokus auf die heftigen Konflikte im Vorfeld
der Eröffnung der italienischen Rechtsfakultät in Innsbruck im Jahr 1904.75
Die Ursachen hierzu finden sich letztlich bereits in der Ära Thun.
7.3. Die Universität Innsbruck als ‚deutsche Universität‘?!
Das Revolutionsjahr 1848 war für Tirol besonders im Hinblick auf die kon-
fessionelle Identitätsbildung eine wesentliche Zäsur. Seither wurde die
„exklusive Konfessionalität Tirols“76 intensiv propagiert und Tirol zum ka-
tholischen Bollwerk des Habsburgerreiches stilisiert. Gleichzeitig trifft das
Diktum des Völkerfrühlings für das Revolutionsjahr auch für Tirol zu, wo be-
sonders in den italienischsprachigen Gebieten im Süden des Kronlandes die
Proteste und Demonstrationen rasch von der Forderung nach Selbstbestim-
mung beherrscht wurden. Dass beide – sowohl die konfessionelle als auch
die nationale – Identitätsbildung Hand in Hand gingen und sich gegenseitig
beeinflussten, hat Thomas Götz bereits vor einiger Zeit gezeigt.77 Während
im Trentino der Ultramontanismus weniger bedeutend war als etwa in den
deutschsprachigen Gebieten und sowohl der Klerus als auch das Bürgertum
vielfach liberaler eingestellt waren, bedeuteten die damit verbundenen libe-
ralen Forderungen nach politischen Reformen einiger Trentiner Geistlicher
gleichzeitig auch einen Bruch entlang der Sprache.78 Dieser Bruch zeigte
72 Zur Universitätsfrage. Große Versammlung der deutschgesinnten Wählerschaft, in: Inns-
brucker Nachrichten, 87 (18.04.1903), S. 6–7, hier S. 6.
73 Ebenda.
74 PaLLaver, Die „fatti di Innsbruck“ – Die traditionellen Parteien und die nationalen Fronten,
S. 106–108.
75 Michael geHLer/Günther PaLLaver (Hgg.), Universität und Nationalismus. Innsbruck 1904
und der Sturm auf die italienische Rechtsfakultät (= Grenzen/Confini 16), Trient 2013.
76 HuBer, Konfessionelle Identitätsbildung in Tirol, S. 29.
77 Thomas götz, Gratwanderung – liberale Katholiken deutscher und italienischer Nationa-
lität im ultramontanen Tirol zwischen Restauration und liberalem Konstitutionalismus
(1830–1880), in: Heinz-Gerhard Haupt/Dieter Langewiesche (Hgg.), Nation und Religion in
der deutschen Geschichte, Frankfurt/Main 2001, S. 446–479.
78 Vgl. götz, Gratwanderung – liberale Katholiken deutscher und italienischer Nationalität
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen