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7.3. DIE UNIVERSITÄT INNSBRUCK ALS ‚DEUTSCHE UNIVERSITÄT‘?! 395
zwischen deutschem und italienischem Kulturraum86 gelangte in der zwei-
ten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr aus dem Blick. Kulturelle
Wechselseitigkeiten wurden zunehmend ausgeblendet und durch die Vor-
stellung einer ‚kulturellen Einbahnstraße‘ ersetzt, in der Wissen und Kultur
lediglich von Nord nach Süd transferiert werden. So betonte etwa auch Karl
Ernst Moy, der ansonsten die Universität als Brückenpfeiler zwischen deut-
schen Katholiken und Rom ansah, in den 1850er-Jahren die Funktion der
Universität als Vermittlerin deutscher Wissenschaft nach Italien. Dermaßen
rechtfertigte er beispielsweise die Anschaffung bestimmter wissenschaftli-
cher Werke für die Universitätsbibliothek.87 Bei der Schillerfeier 1859 be-
tonte Tobias Wildauer die Rolle der deutschen Kultur und der deutschen
Wissenschaft, die zu einer Vorreiterin einer nationalen Einigung werden
könne.88
Das Attribut der ‚deutschen‘ Universität bezog sich seit den 1850er-Jah-
ren daher zunehmend nicht mehr bloß auf die Unterrichtssprache, sondern
wurde national aufgeladen und implizierte nun auch ein Herrschaftsverhält-
nis. Außerdem verband sich mit der Attribuierung als deutsche Universi-
tät89 auch die Zugehörigkeit der Universität zum deutschen Kulturkreis so-
wie zur deutschen Wissenschaft und schloss damit selbstredend all jene aus,
die nicht dem deutschen Kulturkreis entstammten.90 Die Wurzeln des Bil-
des der ‚deutschen Wissenschaft‘, das seit den 1840er-Jahren verstärkt Kon-
junktur hatte,91 gehen zurück in die Romantik und Ära der Napoleonischen
86 Vgl. etwa Magistrat an Karl Ludwig, Innsbruck 13.03.1857, MCU Präs. ad 550/1857, Öster-
reichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv; moy de sons, Rede von Rektor
Moy anlässlich der Ankunft Erzherzog Karl Ludwigs.
87 Moy an das MCU, Innsbruck 21.11.1856, Statthalterei Studien 23402/1856, Tiroler Landes-
archiv.
88 wiLdauer, Festrede zu Schillers hundertjährigem Geburtstag bei der k.k. Universität zu
Innsbruck veranstalteten Feier in der Aula am 10. November 1859, S. 31. Vgl. auch zur
Wahrnehmung der Rede bei oBerkofLer et al., Alfons Huber, Briefe (1859–1898), S. 27.
89 Vgl. dazu auch BöscHe, Zwischen Kaiser Franz Joseph I. und Schönerer, S. 111.
90 Vgl. dazu beispielhaft die anlässlich des in Innsbruck tagenden Deutschen Juristentags
herausgegebene Arbeit von Alfred Wretschko zur Geschichte der Juridischen Fakultät.
„Seinem [Thuns, C.A.] Walten [...] verdanken wir es, daß wir österreichische Forscher trotz
der bestehenden staatlichen Grenzscheide uns mit den Fachgenossen im deutschen Reiche
als wissenschaftliche Arbeiter eins fühlen, daß wir mit ihnen ein gemeinsames Ziel vor
Augen haben dürfen, in gemeinsamer Arbeit einzutreten für das Erblühen und die Macht
der deutschen Wissenschaft.“ wretscHko, Die Geschichte der juristischen Fakultät an der
Universität Innsbruck 1671–1904, S. 40.
91 Dies zeigt etwa eine kursorische Suche über den Volltext-Suchmodus des Portals ANNO
der Österreichischen Nationalbibliothek. Während das Begriffspaar bis in die 1840er-Jahre
nur vereinzelt vorkommt, zeigt sich besonders ab den 1850er-Jahren eine vermehrte Ver-
wendung desselben.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen