Seite - (000011) - in Unser Vaterland - Steiermark und Kärnten

Vom Semmering bis zur as ist ein merkwürdiger Eingang in die Stciermark. Man kommt von den Ebenen, von Wien, und steht hier plötzlich vur den trotzigen Bergen. Mit einem für unsere Verkehrsmittel scheinbar unüber- windlichen Festungswall ist das schöne Bergland verschanzt. In den tiefen Wiesenthälern blinken die Wasser, in den Schluchten rauschen die Wildbächc, an den Hängen zwischen Wald und Wand starren die Schutthalden, von den Höhen leuchten zwei Dritttheile des Jahres die Schneefelder nieder. Aber jenes wunderbare Thier der Neuzeit, jenes Roß, das Kohlen frißt und Feuer schnaubt, schrickt vor solchen Wildnissen nicht zurück. Das hat sich selbst seine sichere Straße gebaut an den oft senkrechten, zerrissenen und zerklüfteten Fels- wänden hin. Fünfzehnmal rauscht es unter die Erde hinein und ebenso oft setzt es über schwindelnde Brücken, bis die Veste überwunden ist. Der Scmmering! „Es ist nicht möglich!" sagten anfangs die Leute, „die Eiscnbahnbauer vermögen zwar viel, aber die Berge sind noch größere Herren, und — da hinüber kommen sie nicht." Zehn Jahre lang ist gearbeitet worden mit allen Mitteln des menschlichen Willens, und an einem heiteren Sommertage des Jahres 1854 fuhr die erste Lokomotive von Niedcrösterrcich in die Stcicrmark hinein. Das Werk hat fünfzehn Millionen Gulden gekostet und die seitherigen Auslagen dafür oürftcu nicht viel geringer sein. Viele können es nicht begreifen, wie gerade die wildeste Stelle gewählt werden konnte, da andere Punkte scheinbar viel geeigneter gewesen wären, die Ausläufer der Centralalpcn zu durchbrechen. Wir freuen uns nur, daß die Scinmeringbahn so gebaut worden ist, sie gehört zn den kühnsten und allcrgroßartigsten Eiscnbahnbauten in Eliropa und ist an Reichthum von mannigfaltigen, rumantifchcn Naturschönhciten einzig in ihrer Art.