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Vom Semmering bis zur Salza. 7
froh; der Wirth ist eine Andreas-Hofer-Gestalt und drückt ein Auge zu, oder zwei, merkt er, daß die Verantwortung
zu groß würde, wenn er sähe. Es ist ein Volk von Sündern beisammen. Die Jüngsten karteln und kegeln um's
Geld oder balgen fich umsonst. Andere trinken und johlen Gesänge, so farbenüppig schier, wie das Muster glühender
Liebespocsie — Salomons hohes Lied. Und jene, die gar nicht da sind, sondern hinten und draußen im Verborgenen
munkeln, das sind die Schlimmsten von Allen.
Wiener sind heraufgestiegen mit nackten Knieen, beschlagenen Schuhen, Eisen und Alpenstöckcn. Gerade durch
ihr auffallend älplerischcs Thun und affektirt bäuerliches Gehaben merkt man den Städter. Ganz tolle Kerle! sie
stiegen auf die Berge, um „frei" zu sein, aber die Bauernburschcn weisen ihnen Trotz. — Eine Zither hört man
surren; draußen herum schrillt eine Mundharmonika. Tort am Stcinklotz stehen singende Gruppen. Mancher aus
dem Thalc scheint erfolglos da zu sein, man merkt den Acrgcr ans seinem Sang:
„Uf d'^Ini bin i gongn. Da Wiiig is ma z'weid,
Äf d'Olm Hots nn gfreid. And die Schwoagarin z'schdulz,
Af d'Olm geh i nenma. And a Bua, dea sa hoch schdcigg.
Da Waig is >>m z'weid. Is a »it uan tznlz."
Auf dein Dachfirst einer anderu Hütte sitzt Einer und läßt die Beine an beiden Seiten hiuabhnngen
und singt:
„Selm afn Schneggenschdeig
Schiiawln zwoa schneeweißi Tanbn,
And heind inäicht i goa sa gern, goa sa gern
tzulzaipfl klaubn,"
Drauf eine weibliche Stimme vom Kuhstall her:
„D'Hulzäipst, d'Zulzäipft
Warn ma viel zsauri,
Wanst scha nix Tiassers findst,
Bua, sa is's trauri,"
Inzwischen das Schellen der Reigen, das Röhren der Rinder, das Grunzen der Schweine, das Gackern der
aufgeschreckten Hühner. Und auf allen Höhen jauchzen die Halter und Hüttenbuben. Die Lust des Aclplcrs klingt
in Gesang aus — jeder Athemzug wird zum Iubclschall. —
So vergeht die Samstagnacht. Auf der Hcukuppe liegt bereits der Sonntagsschcin, da tollen Bursche in die
Hütte. Der hat einen Riß im Beinkleid, ein Loch im Rock; die Schwaigcrin hat Nadel und Zwirn, die soll flicken.
„Ierum," ruft sie aus, „da ist ja ein Blut auf dem Acrmling! Werd's doch nit g'rauft haben?"
Es ist nicht zn leugnen.
Wir trinken frische Milch und denken an den Abstieg. An der österrcicher Seite über steiles, fchattcnfinstercs
Gewände klettern wir hinab in das ticfvcrlasscne Rcißthal, in welchen: die Ruinen eines abgestiftctcn Dorfes stehen.
Wegen Wildcrcien und Auflehnung gegen den Guts- und Schutzhcrrn ist vor etlichen zwanzig Jahren die Anfiedlung
zerstört worden. — Wir nehmen unseren Weg über den Naßkamm auf die Pflanzenreiche Schncealpe, wo wir wieder
Dörfer von Schwaighütten finden, verlassen endlich dieses Arkadien, um durch das Lichtcnthal hinabzusteigen zu den
Ufern der Mürz nach Neuberg.
Die großen K. K. Eisenwerke daselbst intcressircn den Fachmann. Wir blicken auf das alte Cistercienzerstift,
das vom Herzog Otto dem Fröhlichen im Jahre 1327 hier gegründet worden ist. Unter Josef I I . wurde es auf-
gehoben und Kirche und Gebäude gemeinnützigen Zwecken übergeben. Die herrliche Kirche in gothischem Stile wird
von allen Reisenden bewundert, sie gehört zu den grüßten Gotteshäusern des Landes. Als ein besonderes Kunstwerk
Unser Vaterland
Steiermark und Kärnten
- Titel
- Unser Vaterland
- Untertitel
- Steiermark und Kärnten
- Autoren
- Peter.K. Rosegger
- Fritz Pichler
- A. von Rauschenfels
- Verlag
- Gebrüder Kröner
- Ort
- Stuttgart
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 28.1 x 42.23 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Wandern
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918