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Die Lnnsthaler-AIpen. 25
mit sich fort, schleudert fie hier an Felc-blöcke, daß eö klingt, stürzt sie dort über Abhänge, daß manch ein wuchtiger
Fichtenstamm zerschellt, wälzt sie von Hang zu Hang und schwemmt sie schließlich unter dem Tamm der Eisenbahn
hindurch in die Enns. — Diese Wasserbauten im Bruckgrabcn sind eine der großartigsten Triften uuscrer Alpen,
Viel einfacher, aber nicht minder interessant sind die
vielen Hulzrinsen im Gcsäuse, über welche an Regentagen
oder bei Glatteic-bildnug das Gehölze von den Holzschlägcn
herabgelassen, oft hoch über Busch nnd Bauin niedcrsaust und
in einem weiten Bogen klingend in die Enns stürzt, um auf
dieser den Kuhlenstättcn von Hieflau zuzuwallcn. Manch
Martertäfelchcn steht am Wege, erzählend von UnglückMllcn,
die hier den Holzarbeiter, den Wegmacher, den Wanderer
getroffen.
Wir verlassen die Enns und die tühuen Bauten der
Eisenbahn und spazieren links nach dem eine Stunde ent-
fernten Iuhnsbach hinein. Tiefen Weg empfänglichen Ge-
müthes in der Abendtühle oder in der Morgcnfrifche zn
wandeln gehört zu den höchsten und reinsten Genüssen —
unstreitig. Rechts den Rcichenstein, links das Huchthur.
Wer das erstemal ein solches Bild vor sich hat, dem graut;
wer es zum hundertstenmal sieht, der ist entzückt. Die Straße
ist glatt; ihr zur Seite schäumt der Iohnsbach, der die
Tannen und Büsche des Engthals mit seinem Nebelstanb
bethaut. Nahe dem Wege über Busch und Baum ragen
schlanke Felsthürme, spitze Nadeln, Jacken, Hörner und allerlei
wunderliche Gestaltungen, wie die versteinerten Reiter nnd
Recken im Märchen. Jede dieser Statuen hat im Volks-
munde ihre» Namen und ihre Sage. Am Wege stehen
wieder die Gedenktafeln von Verunglückten, die etwa über
das Gewände gestürzt, von Fclsblöckrn erschlagen, von Schutt-
strömcu und Lawinen begraben wurden oder in den wilden
Wellen des Iohnsbachec- umgekommen sind. Schreckhaft
gewaltig sind die Schutthalden, welche vom Reichenstein
niederziehen. An den freuudlichstcn Summcrabenden vermag
man sich bei dem Anblicke dieser Tchuttmeere die ganze
Schreckniß eines Hochgcwitters oder der rasenden Mailawincn
vorzustellen. — Heute freilich leuchtet still eine goldige Wolke
nieder; es ist aber keine Wolke, es ist das Alpenglühen auf
dem Haupte des Thorstcin. Bei uns in der Tiefe hcrrfcht
schon Tämmeruug. Wir hören kein Rauschen der Wildhühncr mehr im Strauchwerk, sehen nur noch ein Rudel
lustiger Gemsen an den Hängen. Wer in den Fluß schaut, dem deckt das Gischten die mnntcrc Forelle. Ein Rück
blick gegen die Enns wird noch reich belohnt, denn von hier ans ist der Buchstein am schönsten.
Wer min aber in das Allerheiligstc dieser imposanten Herrlichkeit dringt, wer die Schutthalden verfolgt in
ihre Kare nnd Winkel, wer dann ficht, wie die fchcinbar glattesten Wände sich wieder auseinanderfalten nnd sich
Vruckgrcibcn, f)aitie aus dcr 5chlucht.
Unser Vaterland
Steiermark und Kärnten
- Titel
- Unser Vaterland
- Untertitel
- Steiermark und Kärnten
- Autoren
- Peter.K. Rosegger
- Fritz Pichler
- A. von Rauschenfels
- Verlag
- Gebrüder Kröner
- Ort
- Stuttgart
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 28.1 x 42.23 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Wandern
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918