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Vlick von Altaussce auf den Dachstein, Hoch vom Dachstein!
1l/e»n sich am Mecresstrande der
Adria sechzehn hundert stattliche Männer
aufstellten, so daß einer auf dem Kopfe
des andern stünde, so wäre das Haupt des
obersten so hoch, wie die Spitze des Dach-
stein. Und wen» man ein vorzüglicher
Tourist ist, und von Aussee aus neun
Stunden tüchtig wandert, steigt nnd klettert,
so kann man auf der Höhe des Dachstein sein. Es dürfte aber doch nur Wenige geben, die über die tiefen breiten
Spalten der Gletscher, über ihre steilen Felder, an den furchtbaren Abstürzen hin, mit mir wandern wollten. Und
wenn - so doch vielleicht resnltatlos, denn es gibt wenige Tage zur Sommerszeit, an welchen das Gcthürme des
Dachstein nicht seinen Ncbclhnt hätte. Die zwischen den grauen Fclsmancrn liegenden Eis- nnd Echnecmassen fangen
in dcr Sonncnwärme leicht zn dampfen an. Es ist wohl ein arger Weg. Nur zu bald beginnen die finsteren
Schluchten mit den wahnsinnigen Wildbächen, die kahlen Hänge, die ewig rieselnden Schutthalden, nnd wo sich irgend
noch eine Mcnschenhütte an strauchbcwachsene Felsen schmiegt, da ist sie wie ein an dcr Wand klebendes Schnecken-
haus, das dcr erste rollende Stein zerdrücken kann. Höher oben, wo sich hinter den Fclswällen wieder die Almen breiten,
wird es wohl gemüthlicher, da blüht die Alpenrose, wuchert der Speik, wiegt sich etwa das schämige Kohlröschen
unter knorrigem Gezierm. Noch weiter oben hebt freilich die Wüstenei wieder an. Die Felsen sind oft ganz gothisch
gebaut, haben scharfe Zacken mit Ttcinroscn, spitze Thürme mit Knorpeln und Rippen und mit steilen Dachnngcn,
auf denen die Schneefeldcr liegen. Die Gemsen halten solche Schroffen für den ebensten Boden auf Erden, sie hüpfen
mit ihren schlanken Beinen darauf herum, wie die Spatzen auf unseren Hausdächern. Weiterhin lagern die matt-
grauen Schnee- und Eismuldcn; da mag aber kein Gemslein mehr sein, da kann vielleicht nur noch dcr Steinadler
darüber hin.
Aber die Eisfelder sind nicht der Alpen höchste Zinnen; über denselben baut sich noch manch hoher, leuchtender
Riff, manch schreckhaft geformtes Horn in die Lüfte. Das sind die höchsten Warten, hier ists mit Allem aus, wac-
wir Leben nennen — vielleicht daß die kleine, graue Bcrgspinnc, die behendigste und muthigstc aller Touristen noch
hinaufgestiegen ist. Solche Hochschroffen haben über sich nicht mehr dichte Luft, haben Wind und Wetter häufiger
Unser Vaterland
Steiermark und Kärnten
- Titel
- Unser Vaterland
- Untertitel
- Steiermark und Kärnten
- Autoren
- Peter.K. Rosegger
- Fritz Pichler
- A. von Rauschenfels
- Verlag
- Gebrüder Kröner
- Ort
- Stuttgart
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 28.1 x 42.23 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Wandern
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918