Seite - 56 - in Unser Vaterland - Steiermark und Kärnten

56 Steiermark. in der Türkcuzcit und vou den unglaublichen Grausamkeiten, welche die wilden Tchaaren aus dem Morgenland» hier verübt hatten. Eine davon, hinter dem Hochaltare, lautet: ^nno (^In-i8ti 6kdurt^ ^188 ma,u Oott erdln-iu' 68." Auch wird erzählt, daß die Türken ihre Gefangenen auf die hohe Alpe schleppten und dort an Pflüge spannten, um »uter Säbel und Peitschenhieben den felsigen Buden zu umackern. Nach diesem Werke metzelten sie die armen menschlichen Zngthierc nieder. Eine steinige Fläche ans der Hochalpe wird noch heute das „Türkenfcld" genannt. Nun überspringen wir den schönen breiten Murbuden, der in weiter Runde von grünen Vorbergen nnd hohen Alpenzügen umgeben ist, der belebt ist von freundlichen Städten nnd blühenden Dörfern und ewig geschäftigen Eisenhämmern. Tie Eisenbahn zieht über St. Michel durch das Lising- nnd Paltenthal den Ufern der Enns zn, wo wir fie in Sclzthal verlassen haben. Auf der Mur gleiten lustige Holzflößcr abwärts gegen Leuben, Brnck nnd Graz, wu wir seinerzeit wieder mit ihnen zusammenzutreffen hoffen. Wir haben, nm die schöne Rnnde dnrch Tteicrmark zn vollführen, einen andern Weg; nnd da der hier erzählende Wanderer die Berge nicht mied, su wird es dem Leser wohl »m so wenigcr unangenehm sein, die grünen Mnrthaler Alpen zu übersteigen, nm auf herrlichen Pfaden ins Land der Gärten und der Reben zu gelangen. Das steirische Paradies. Wir haben uns ins weiche Federgras gelagert — auf den sonnigen Matten der Gleinalpe, dem höchste,, Puutte dieses Gebirgszuges, der Obei> und Uutersteier trennt. Wir blicken zurück auf den breiten Murbuden »nd die gestaltcnrcichen Berge, die ihn umgcbcu, blicken zurück auf das schöne, nns trautgewordenc Oberland; sehen die lichten Gipfel der Rar, des Huchschwab nnd manches andern Berges, den wir auf nnserer fröhlichen Wanderung erstiegen haben. — Und wenn der Führer hier zurücksieht nnd zurückdenkt, su wird ihm eigentlich bange. Dieses Land nnd seine Bewohner mit all den Schönheiten und Eigenheiten! Bücher könnte man darüber schreiben, wie sie ja schon geschrieben worden sind. Aber dein Führer ist Zeit und Raum gemessen, die Reise mnß rasch sein, obwohl er den Eisenbahnen ausweicht, wu er nur kann. Ins Leben, ins Herz des Volkes cin Blick, er wäre dankbar. Es gäbe zn erzählen vom Heim des Steircrs, vun den Sitten und Gebräuchen, unter denen er sich das Haus baut, einweiht nnd bezieht: zu erzählen von dem eigentlichen Wesen des Stcircrs als Kind, Bursche, Ehmann lind Greis; vun den Gaukeleien seiner Wiege, von der Poesie seines Herdes, seines Tisches, seines Hansaltarcs; von dem Verhältnisse des Aclplers zu seiner hölzernen Hausuhr, zu seinem bemalten Hieroglyphcnkalcnder, zu seiner Bctschnur, zu seinen: Stcucrbüchel. Es müßte seiuc Hauslitcratur, es müßte das Echatzkästlcin seines Fleißes und Vermögen-:-, der „Fcldkasten" dargestellt werden, nnd das Fenstcrlcin, durch welches er nächtlicher Weile mit seinem Mädchen kost, nnd die Kirche, in welcher er mit seinem Gott verkehrt. Und wie er mit Gott verkehrt. Es müßte die Handwerkcrbank vorgeführt werden, auf welche er fich seine Prufcssionistcn ins Haus ladet, es müßte der Pflug und die Hulzaxt erörtert werden, und alles was dran hängt; es müßte endlich das Ausnahmsstübel betrachtet werden, in welchem der greise Bauer, von den herrschenden Kindern bei Seite geschoben, seine alten Tage beschließt. — Nun müßte aber anch noch gezeigt werden, wie der Steirer die wichtigsten Tage seines Lebens uud die Feste seines Jahres feiert. Auf der Straße lernen wir nnscrn Mann nicht kennen — wir müßten sehen, wie er heimt, arbeitet, leidet, jubelt, fromm ist und sündigt. Wir müßten seinen Fasching uud seine Fasten, seine Ostern nnd Pfingsten, seine Kirchweih', seine Winterabende und Weihnachten sehen — seinen Hochzeitstag und sein Sterben . . .