Seite - 60 - in Unser Vaterland - Steiermark und Kärnten
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^teiermark.
au sich, oder bildet sich eine solche wenigstens ein. Dabei geht die Sage, daß, wer einmal Arsenikcsser ist, es auch
bleiben müsse, sein Lebtag lang: denn von dem Augenblicke an, wo er aufhören würde, dieses Gift zn sich zu
nehmen, beginne er zu verwelke» und zu verdorren und beiße in kürzester Zeit ins Gras.
Veim Natnrforschcrtag in Graz sind aus der Ligister und Stainzcr Gegend Arscnikesscr beobachtet und nntcrsncht
wurden und man hat keinen nachthciligen Einfluß des Giftes konstatiren können.
Außer einer gewissen Heißblütigkeit, welche doch wohl eher vom Wein als vom Hütcnrauch (wie hier der Arsenik
genannt wird) herrühren mag, sind die Leute dieser Thäler gutmüthig und wohlwollend gegen einander. Das zeigt
sich besonders bei Unglücksfällen. Brennt Einem das Haus nieder, so steuern die Baueru der ganzen Gegend
;»iai»men und helfen e<3 ihm wieder aufbauen. Reißt in einem Hause ciur Krankheit ein, so bebauen die Nachbarn
ungebeten dessen Acckcr oder führen die Ernte unter Dach und leisten allen nöthigen Beistand.
Die Wohnungen sind hier nicht mehr so stattlich, wie im Obcrlandr: znmcist klein, finster und mit Stroh
gedeckt: zuweilen wohl oft auch gemauert nnd mit Ziegeldach, aber gar ärmlich gegen die schönen Baucrnhäuser im Enns-
thalc nnd der Ausscergegend. Wohl gibt es hier im fruchtbaren Lande viel mehr Reichthum, als dort zwischen den
Felsbergen, aber leider weniger Geschmack. Ueber den Hausthüren sehen wir mit rother Farbe in plumpestcr Form
stets die Umrisse des heiligen Florian oder der Dreifaltigkeit gezeichnet. An den Stein- nnd Holzkreuzcn, die am
Wege stehen, drängt sich überall die Geschmacklosigkeit vor. Wenn wir über einem Muttergottcsbildc die Worte lesen:
„öeilige Maria Lankowitz renovirt 1864 bitt für alle christgläubigc Seelen", so klingt nns das wie toller Humor:
wenn wir aber auf einem großen Krnzifix die ganze Brust- und Magengegend des Christus mit Blumen bemalt
sehen, so schließen wir denn doch anf eine unendliche — Frömmigkeit. Die Kleidung hat auch ihren Charakter
verloren nnd huldigt keiner bestimmten Form. Kniclcdcrhosen nnd grünbebänderte Hüte werden hier nicht mehr viel
gesehen. Der Dialekt ist ebenfalls ein anderer, als im Hochgebirge, er ist undeutlich und hat einen gedehnten,
bellenden Ton. Gegen Fremde und Neuerungen ist der Mittclstcircr viel mißtrauischer, als der harmlosere, offene
Oberländer. So ist er anch niibehulfrner nnd träger in seinein geistigen Leben, während die Kraft der Leidenschaft
sich in ihm energischer äußert, als in dem ruhigen nnd nbcrlcgsamen Aelpler. Den geistigen Getränken, welche hier
m>5 Obst und Traube gezogen werden, gibt man die Schnld: gewiß aber wirken noch andere Faktoren ein — vor
Unser Vaterland
Steiermark und Kärnten
- Titel
- Unser Vaterland
- Untertitel
- Steiermark und Kärnten
- Autoren
- Peter.K. Rosegger
- Fritz Pichler
- A. von Rauschenfels
- Verlag
- Gebrüder Kröner
- Ort
- Stuttgart
- Datum
- 1877
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 28.1 x 42.23 cm
- Seiten
- 344
- Schlagwörter
- Wandern
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918