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Locken und braune Augen und einen roten Mund, aber ich erkannte Sie doch
sogleich an dem Schnitt Ihres Gesichtes und an dieser Marmorblässe – Sie
trugen stets eine veilchenblaue Samtjacke mit Fehpelz besetzt.«
»Ja, Sie waren ganz verliebt in diese Toilette, und wie gelehrig Sie waren.«
»Sie haben mich gelehrt, was Liebe ist, Ihr heiterer Gottesdienst ließ mich
zwei Jahrtausende vergessen.«
»Und wie beispiellos treu ich Ihnen war!«
»Nun, was die Treue betrifft –«
»Undankbarer!«
»Ich will Ihnen keine Vorwürfe machen. Sie sind zwar ein göttliches Weib,
aber doch ein Weib, und in der Liebe grausam wie jedes Weib.«
»Sie nennen grausam«, entgegnete die Liebesgöttin lebhaft, »was eben das
Element der Sinnlichkeit, der heiteren Liebe, die Natur des Weibes ist, sich
hinzugeben, wo es liebt, und alles zu lieben, was ihm gefällt.«
»Gibt es für den Liebenden etwa eine größere Grausamkeit als die
Treulosigkeit der Geliebten?«
»Ach!« – entgegnete sie – »wir sind treu, so lange wir lieben, ihr aber
verlangt vom Weibe Treue ohne Liebe, und Hingebung ohne Genuß, wer ist
da grausam, das Weib oder der Mann? – Ihr nehmt im Norden die Liebe
überhaupt zu wichtig und zu ernst. Ihr sprecht von Pflichten, wo nur vom
Vergnügen die Rede sein sollte.«
»Ja, Madame, wir haben dafür auch sehr achtbare und tugendhafte Gefühle
und dauerhafte Verhältnisse.«
»Und doch diese ewig rege, ewig ungesättigte Sehnsucht nach dem nackten
Heidentum«, fiel Madame ein, »aber jene Liebe, welche die höchste Freude,
die göttliche Heiterkeit selbst ist, taugt nicht für euch Modernen, euch Kinder
der Reflexion. Sie bringt euch Unheil. Sobald ihr natürlich sein wollt, werdet
ihr gemein. Euch erscheint die Natur als etwas Feindseliges, ihr habt aus uns
lachenden Göttern Griechenlands Dämonen, aus mir eine Teufelin gemacht.
Ihr könnt mich nur bannen und verfluchen oder euch selbst in bacchantischem
Wahnsinn vor meinem Altar als Opfer schlachten, und hat einmal einer von
euch den Mut gehabt, meinen roten Mund zu küssen, so pilgert er dafür
barfuß im Büßerhemd nach Rom und erwartet Blüten von dem dürren Stock,
während unter meinem Fuße zu jeder Stunde Rosen, Veilchen und Myrten
emporschießen, aber euch bekömmt ihr Duft nicht; bleibt nur in eurem
nordischen Nebel und christlichem Weihrauch; laßt uns Heiden unter dem
Schutt, unter der Lava ruhen, grabt uns nicht aus, für euch wurde Pompeji, für
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Buch Venus im Pelz"
Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik