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»Sieh dir einmal das Gegenstück an«, entgegnete mein seltsamer Freund,
ohne auf meine Frage einzugehen.
Das Gegenstück bildete eine treffliche Kopie der bekannten »Venus mit
dem Spiegel« von Titian in der Dresdener Galerie.
»Nun, was willst du damit?«
Severin stand auf und wies mit dem Finger auf den Pelz, mit dem Titian
seine Liebesgöttin bekleidet hat.
»Auch hier ›Venus im Pelz‹«, sprach er fein lächelnd, »ich glaube nicht,
daß der alte Venetianer damit eine Absicht verbunden hat. Er hat einfach das
Porträt irgendeiner vornehmen Messaline gemacht und die Artigkeit gehabt,
ihr den Spiegel, in welchem sie ihre majestätischen Reize mit kaltem Behagen
prüft, durch Amor halten zu lassen, dem die Arbeit sauer genug zu werden
scheint. Das Bild ist eine ge malte Schmeichelei. Später hat irgendein
›Kenner‹ der Rokokozeit die Dame auf den Namen Venus getauft, und der
Pelz der Despotin, in den sich Titians schönes Modell wohl mehr aus Furcht
vor dem Schnupfen als Keuschheit gehüllt hat, ist zu einem Symbol der
Tyrannei und Grausamkeit geworden, welche im Weibe und seiner Schönheit
liegt.
Aber genug, so wie das Bild jetzt ist, erscheint es uns als die pikanteste
Satire auf unsere Liebe. Venus, die im abstrakten Norden, in der eisigen
christlichen Welt in einen großen schweren Pelz schlüpfen muß, um sich nicht
zu erkälten. –«
Severin lachte und zündete eine neue Zigarette an.
Eben ging die Türe auf und eine hübsche volle Blondine mit klugen
freundlichen Augen, in einer schwarzen Seidenrobe, kam herein und brachte
uns kaltes Fleisch und Eier zum Tee. Severin nahm eines der letzteren und
schlug es mit dem Messer auf. »Habe ich dir nicht gesagt, daß ich sie weich
gekocht haben will?« rief er mit einer Heftigkeit, welche die junge Frau
zittern machte.
»Aber lieber Sewtschu –« sprach sie ängstlich.
»Was Sewtschu«, schrie er, »gehorchen sollst du, gehorchen, verstehst du«,
und er riß den Kantschuk, welcher neben seinen Waffen hing, vom Nagel.
Die hübsche Frau floh wie ein Reh rasch und furchtsam aus dem Gemache.
»Warte nur, ich erwische dich noch«, rief er ihr nach.
»Aber Severin«, sagte ich, meine Hand auf seinen Arm legend, »wie kannst
du die hübsche kleine Frau so traktieren!«
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik