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Ich schlug das Titelblatt um und las: »Das Folgende habe ich aus meinem
damaligen Tagebuche zusammengestellt, weil man seine Vergangenheit nie
unbefangen darstellen kann, so aber hat alles seine frischen Farben, die
Farben der Gegenwart.«
Gogol, der russische Molière, sagt – ja wo? – nun irgendwo – »die echte
komische Muse ist jene, welcher unter der lachenden Larve die Tränen
herabrinnen«.
Ein wunderbarer Ausspruch!
So ist es mir recht seltsam zumute, während ich dies niederschreibe. Die
Luft scheint mir mit einem aufregenden Blumenduft gefüllt, der mich betäubt
und mir Kopfweh macht, der Rauch des Kamines kräuselt und ballt sich mir
zu Gestalten, kleinen graubärtigen Kobolden zusammen, die spöttisch mit
dem Finger auf mich deuten, pausbäckige Amoretten reiten auf den Lehnen
meines Stuhles und auf meinen Knien, und ich muß unwillkürlich lächeln, ja
laut lachen, indem ich meine Abenteuer niederschreibe, und doch schreibe ich
nicht mit gewöhnlicher Tinte, sondern mit dem roten Blute, das aus meinem
Herzen träufelt, denn alle seine längst vernarbten Wunden haben sich geöffnet
und es zuckt und schmerzt, und hie und da fällt eine Träne auf das Papier.
Träge schleichen die Tage in dem kleinen Karpatenbade dahin. Man sieht
niemand und wird von niemand gesehen. Es ist langweilig zum
Idyllenschreiben. Ich hätte hier Muße, eine Galerie von Gemälden zu liefern,
ein Theater fĂĽr eine ganze Saison mit neuen StĂĽcken, ein Dutzend Virtuosen
mit Konzerten, Trios und Duos zu versorgen, aber – was spreche ich da – ich
tue am Ende doch nicht viel mehr, als die Leinwand aufspannen, die Bogen
zurechtglätten, die Notenblätter liniieren, denn ich bin – ach! nur keine
falsche Scham, Freund Severin, lĂĽge andere an; aber es gelingt dir nicht mehr
recht, dich selbst anzulügen – also ich bin nichts weiter, als ein Dilettant; ein
Dilettant in der Malerei, in der Poesie, der Musik und noch in einigen anderen
jener sogenannten brotlosen KĂĽnste, welche ihren Meistern heutzutage das
Einkommen eines Ministers, ja eines kleinen Potentaten sichern, und vor
allem bin ich ein Dilettant im Leben.
Ich habe bis jetzt gelebt, wie ich gemalt und gedichtet habe, das heiĂźt, ich
bin nie weit ĂĽber die Grundierung, den Plan, den ersten Akt, die erste Strophe
gekommen. Es gibt einmal solche Menschen, die alles anfangen und doch nie
mit etwas zu Ende kommen, und ein solcher Mensch bin ich.
Aber was schwatze ich da.
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik