Seite - 15 - in Venus im Pelz
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kalte Tropfen perlen mir auf der Stirne.
Endlich bleibe ich stehen und halte einen kurzen Monolog.
Er lautet – nun – man ist ja immer sich selbst gegenüber entweder sehr
artig oder sehr grob.
Ich sage also zu mir: Esel!
Dieses Wort ĂĽbt eine groĂźartige Wirkung, gleich einer Zauberformel, die
mich erlöst und zu mir bringt.
Ich bin im Augenblicke ruhig.
VergnĂĽgt wiederhole ich: Esel!
Ich sehe nun wieder alles klar und deutlich, da ist der Springbrunnen, dort
die Allee von Buchsbaum, dort das Haus, auf das ich jetzt langsam zugehe.
Da – plötzlich noch einmal – hinter der grünen, vom Mondlicht
durchleuchteten, gleichsam in Silber gestickten Wand, die weiĂźe Gestalt, das
schöne Weib von Stein, das ich anbete, das ich fürchte, vor dem ich fliehe.
Mit ein paar Sätzen bin ich im Hause und hole Atem und denke nach.
Nun, was bin ich jetzt eigentlich, ein kleiner Dilettant oder ein groĂźer Esel?
Ein schwĂĽler Morgen, die Luft ist matt, stark gewĂĽrzt, aufregend. Ich sitze
wieder in meiner Gaisblattlaube und lese in der Odyssee von der reizenden
Hexe, die ihre Anbeter in Bestien verwandelt. Köstliches Bild der antiken
Liebe.
In den Zweigen und Halmen rauscht es leise und die Blätter meines Buches
rauschen und auf der Terrasse rauscht es auch.
Ein Frauengewand –
Da ist sie – Venus – aber ohne Pelz – nein, diesmal ist es die Witwe – und
doch – Venus – oh! welch ein Weib!
Wie sie dasteht im leichten, weiĂźen Morgengewande und auf mich blickt,
wie poetisch und anmutig zugleich erscheint ihre feine Gestalt; sie ist nicht
groß, aber auch nicht klein, und der Kopf, mehr reizend, pikant – im Sinne
der Französischen Marquisenzeit – als streng schön, aber doch wie
bezaubernd, welche Weichheit, welcher holde Mutwille umspielen diesen
vollen, nicht zu kleinen Mund – die Haut ist so unendlich zart, daß überall die
blauen Adern durchschimmern, auch durch den Mousselin, welcher Arm und
Busen bedeckt, wie üppig ringelt sich das rote Haar – ja, es ist rot – nicht
blond oder goldig – wie dämonisch und doch lieblich spielt es um ihren
Nacken, und jetzt treffen mich ihre Augen wie grüne Blitze – ja, sie sind grün,
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Buch Venus im Pelz"
Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik