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Die kleine Bronzeuhr, auf welcher ein Amor steht, der eben seinen Pfeil
abgeschossen hat, schlug Mitternacht.
Ich stand auf, ich wollte fort.
Wanda sagte nichts, aber sie umschlang mich und zog mich auf die
Ottomane zurück und begann mich von neuem zu küssen, und diese stumme
Sprache hatte etwas so Verständliches, so Überzeugendes –
Und sie sagte noch mehr, als ich zu verstehen wagte, eine solche
schmachtende Hingebung lag in Wandas ganzem Wesen und welche
wollüstige Weichheit in ihren halbgeschlossenen, dämmernden Augen, in der
unter dem weißen Puder leicht schimmernden roten Flut ihres Haares, in dem
weißen und roten Atlas, welcher bei jeder Bewegung um sie knisterte, dem
schwellenden Hermelin der Kazabaika, in den sie sich nachlässig schmiegte.
»Ich bitte dich«, stammelte ich, »aber du wirst böse sein.«
»Mache mit mir, was du willst«, flüsterte sie.
»Nun, so tritt mich, ich bitte dich, ich werde sonst verrückt.«
»Habe ich dir nicht verboten«, sprach Wanda strenge, »aber du bist
unverbesserlich.«
»Ach! ich bin so entsetzlich verliebt.« Ich war in die Knie gesunken und
preßte mein glühendes Gesicht in ihren Schoß.
»Ich glaube wahrhaftig«, sagte Wanda, nachsinnend, »dein ganzer
Wahnsinn ist nur eine dämonische, ungesättigte Sinnlichkeit. Unsere Unnatur
muß solche Krankheiten erzeugen. Wärst du weniger tugendhaft, so wärst du
vollkommen vernünftig.«
»Nun, so mach’ mich gescheit«, murmelte ich. Meine Hände wühlten in
ihrem Haare und in dem schimmernden Pelz, welcher sich, wie eine vom
Mondlicht beglänzte Welle, alle Sinne verwirrend, auf ihrer wogenden Brust
hob und senkte.
Und ich küßte sie – nein, sie küßte mich, so wild, so unbarmherzig, als
wenn sie mich mit ihren Küssen morden wollte. Ich war wie im Delirium,
meine Vernunft hatte ich längst verloren, aber ich hatte endlich auch keinen
Atem mehr. Ich suchte mich loszumachen.
»Was ist dir?« fragte Wanda.
»Ich leide entsetzlich.«
»Du leidest?« – sie brach in ein lautes, mutwilliges Lachen aus.
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik