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Die Liebe kennt keine Tugend, kein Verdienst, sie liebt und vergibt und
duldet alles, weil sie muß; nicht unser Urteil leitet uns, nicht die Vorzüge oder
Fehler, welche wir entdecken, reizen uns zur Hingebung oder schrecken uns
zurück. Es ist eine süße, wehmütige, geheimnisvolle Gewalt, die uns treibt,
und wir hören auf zu denken, zu empfinden, zu wollen, wir lassen uns von ihr
treiben und fragen nicht wohin?
Auf der Promenade erschien heute zum erstenmal ein russischer Fürst,
welcher durch seine athletische Gestalt, seine schöne Gesichtsbildung, den
Luxus seines Auftretens allgemeines Aufsehen erregte. Die Damen besonders
staunten ihn wie ein wildes Tier an, er aber schritt finster, niemand beachtend,
von zwei Dienern, einem Neger ganz in roten Atlas gekleidet und einem
Tscherkessen in voller blitzender Rüstung begleitet, durch die Alleen.
Plötzlich sah er Wanda, heftete seinen kalten durchdringenden Blick auf sie,
ja wendete den Kopf nach ihr, und als sie vorüber war, blieb er stehen und sah
ihr nach.
Und sie – sie verschlang ihn nur mit ihren funkelnden grünen Augen – und
bot alles auf, ihm wieder zu begegnen.
Die raffinierte Koketterie, mit der sie ging, sich bewegte, ihn ansah,
schnürte mir den Hals zusammen. Als wir nach Hause gingen, machte ich
eine Bemerkung darüber. Sie runzelte die Stirne.
»Was willst du denn«, sprach sie, »der Fürst ist ein Mann, der mir gefallen
könnte, der mich sogar blendet, und ich bin frei, ich kann tun, was ich will –«
»Liebst du mich denn nicht mehr –« stammelte ich erschrocken.
»Ich liebe nur dich«, entgegnete sie, »aber ich werde mir von dem Fürsten
den Hof machen lassen.«
»Wanda!«
»Bist du nicht mein Sklave?« sagte sie ruhig. »Bin ich nicht Venus, die
grausame nordische Venus im Pelz?«
Ich schwieg; ich fühlte mich von ihren Worten förmlich zermalmt, ihr
kalter Blick drang mir wie ein Dolch in das Herz.
»Du wirst sofort den Namen, die Wohnung, alle Verhältnisse des Fürsten
erfragen, verstehst du?« fuhr sie fort.
»Aber –«
»Keine Einwendung. Gehorche!« rief Wanda mit einer Strenge, die ich bei
ihr nie für möglich gehalten hätte. »Komme mir nicht unter die Augen, ehe du
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik