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»Bringe die Koffer herauf, Gregor«, befiehlt sie, ohne meine Blicke zu
beachten, »ich mache indes Toilette und gehe in den Speisesaal hinab. Du
kannst dann auch etwas zu Nacht essen.«
Während sie in das Nebenzimmer geht, schleppe ich die Koffer herauf,
helfe dem Garçon, der mich über meine »Herrschaft« in schlechtem
Französisch auszufragen versucht, in ihrem Schlafzimmer Feuer machen und
sehe einen Augenblick mit stillem Neide den flackernden Kamin, das duftige,
weiße Himmelbett, die Teppiche, mit denen der Boden belegt ist. Dann steige
ich müde und hungrig eine Treppe hinab und verlange etwas zu essen. Ein
gutmütiger Kellner, der österreichischer Soldat war und sich alle Mühe gibt,
mich deutsch zu unterhalten, führt mich in den Speisesaal und bedient mich.
Eben habe ich nach sechsunddreißig Stunden den ersten frischen Trunk getan,
den ersten warmen Bissen auf der Gabel, als sie hereintritt.
Ich erhebe mich.
»Wie können Sie mich in ein Speisezimmer führen, in dem mein Bedienter
ißt«, fährt sie den Garçon an, vor Zorn flammend, dreht sich um und geht
hinaus.
Ich danke indes dem Himmel, daß ich wenigstens ruhig weiteressen kann.
Hierauf steige ich vier Treppen zu meinem Zimmer empor, in dem bereits
mein kleiner Koffer steht und ein schmutziges Öllämpchen brennt, es ist ein
schmales Zimmer ohne Kamin, ohne Fenster, mit einem kleinen Luftloch. Es
würde mich – wenn es nicht so hundekalt wäre – an die venetianischen
Bleikammern erinnern. Ich muß unwillkürlich laut lachen, so daß es
widerhallt und ich über mein eigenes Gelächter erschrecke.
Plötzlich wird die Türe aufgerissen und der Garçon mit einer theatralischen
Geste, echt italienisch, ruft: »Sie sollen zu Madame hinabkommen,
augenblicklich!« Ich nehme meine Mütze, stolpere einige Stufen hinab,
komme endlich glücklich im ersten Stockwerke vor ihre Türe an und klopfe.
»Herein!«
Ich trete ein, schließe und bleibe an der Türe stehen.
Wanda hat es sich bequem gemacht, sie sitzt im Negligé von weißer
Mousseline und Spitzen, auf einem kleinen, roten Samtdiwan, die Füße auf
einem Polster von gleichem Stoffe und hat ihren Pelzmantel umgeworfen,
denselben, in dem sie mir zuerst als Göttin der Liebe erschien.
Die gelben Lichter der Armleuchter, die auf dem Trumeau stehen, ihre
Reflexe in dem großen Spiegel und die roten Flammen des Kaminfeuers
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik