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»Das Leben ist doch eigentlich urkomisch«, dachte ich mir, »vor kurzem
hat noch das schönste Weib, Venus selbst, an deiner Brust geruht, und jetzt
hast du Gelegenheit, die Hölle der Chinesen zu studieren, welche die
Verdammten nicht, gleich uns, in die Flammen werfen, sondern durch die
Teufel auf Eisfelder treiben lassen.
Wahrscheinlich haben ihre Religionsstifter auch in ungeheizten Zimmern
geschlafen.«
Ich bin heute nacht mit einem Schrei aus dem Schlafe aufgeschreckt, ich
habe von einem Eisfelde geträumt, auf dem ich mich verirrt hatte und
vergebens den Ausweg suchte. Plötzlich kam ein Eskimo in einem mit
Rentier bespannten Schlitten und hatte das Gesicht des Garçons, der mir das
ungeheizte Zimmer angewiesen.
»Was suchen Sie hier, Monsieur?« rief er, »hier ist der Nordpol.«
Im nächsten Augenblicke war er verschwunden, und Wanda flog auf
kleinen Schlittschuhen über die Eisfläche heran, ihr weißer Atlasrock flatterte
und knisterte, der Hermelin ihrer Jacke und Mütze, vor allem aber ihr Antlitz
schimmerte weißer, als der weiße Schnee, sie schoß auf mich zu, schloß mich
in ihre Arme und begann mich zu küssen, plötzlich fühlte ich mein Blut warm
an mir herabrieseln.
»Was tust du?« fragte ich entsetzt.
Sie lachte, und wie ich sie jetzt ansah, war es nicht mehr Wanda, sondern
eine große weiße Bärin, welche ihre Tatzen in meinen Leib bohrte.
Ich schrie verzweifelt auf und hörte ihr teuflisches Gelächter noch, als ich
erwacht war und erstaunt im Zimmer herumsah.
Früh am Morgen stand ich bereits an Wandas Türe, und als der Garçon den
Kaffee brachte, nahm ich ihm denselben und servierte ihn meiner schönen
Herrin. Sie hatte bereits Toilette gemacht und sah prächtig aus, frisch und
rosig, lächelte mir freundlich zu und rief mich zurück, als ich mich
respektvoll entfernen wollte.
»Nimm auch rasch dein Frühstück, Gregor«, sprach sie, »wir gehen dann
sofort Wohnungen suchen, ich will so kurz als möglich im Hotel bleiben, hier
sind wir furchtbar geniert, und wenn ich etwas länger mit dir plaudre, heißt es
gleich: die Russin hat mit ihrem Bedienten ein Liebesverhältnis, man sieht,
die Rasse der Katharina stirbt nicht aus.«
Eine halbe Stunde später gingen wir aus, Wanda in ihrem Tuchkleide, ihrer
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Buch Venus im Pelz"
Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik