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russischen Mütze, ich in meinem Krakauerkostüm. Wir erregten Aufsehen.
Ich ging etwa zehn Schritte entfernt hinter ihr und machte ein finsteres
Gesicht, während ich jede Sekunde in lautes Lachen auszubrechen fürchtete.
Es gab kaum eine Straße, in der nicht an einem der hübschen Häuser eine
kleine Tafel mit dem »Camere ammobiliate« prangte. Wanda sendete mich
jedesmal die Treppe hinauf, und nur wenn ich die Meldung machte, daß die
Wohnung ihren Absichten zu entsprechen scheine, stieg sie selbst empor. So
war ich um Mittag herum bereits so müde, wie ein Jagdhund nach einer
Parforcejagd.
Wieder traten wir in ein Haus und wieder verließen wir es, ohne eine
passende Wohnung gefunden zu haben. Wanda war bereits etwas ärgerlich.
Plötzlich sagte sie zu mir: »Severin, der Ernst, mit dem du deine Rolle spielst,
ist reizend, und der Zwang, den wir uns auferlegt haben, regt mich geradezu
auf, ich halte es nicht mehr aus, du bist zu lieb, ich muß dir einen Kuß geben.
Komm in ein Haus hinein.«
»Aber gnädige Frau –« wendete ich ein.
»Gregor!« sie trat in die nächste offene Flur, ging einige Stufen der dunklen
Stiege hinauf, schlang dann mit heißer Zärtlichkeit die Arme um mich und
küßte mich.
»Ach! Severin, du warst sehr klug, du bist als Sklave weit gefährlicher, als
ich dachte, ja, ich finde dich unwiderstehlich, ich fürchte, ich werde mich
noch einmal in dich verlieben.«
»Liebst du mich denn nicht mehr?« fragte ich, von einem jähen Schrecken
ergriffen.
Sie schüttelte ernsthaft den Kopf, küßte mich aber wieder mit ihren
schwellenden, köstlichen Lippen.
Wir kehrten in das Hotel zurück. Wanda nahm das Gabelfrühstück und
gebot mir, ebenfalls rasch etwas zu essen.
Ich wurde aber selbstverständlich nicht so rasch bedient, wie sie, und so
geschah es, daß ich eben den zweiten Bissen meines Beefsteaks zum Munde
führte, als der Garçon eintrat und mit seiner theatralischen Geste rief:
»Augenblicklich zu Madame.«
Ich nahm einen raschen und schmerzlichen Abschied von meinem
Frühstück und eilte müde und hungrig Wanda nach, welche bereits in der
Straße stand.
»Für so grausam habe ich Sie doch nicht gehalten, Herrin«, sagte ich
vorwurfsvoll, »daß Sie mich nach allen diesen Fatiguen nicht einmal ruhig
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik