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unheimlichen Ausdruck von Müdigkeit, von Übersättigung.
Oder habe ich für dies alles früher kein Auge gehabt?
Sie heftet die grünen Augen mehr neugierig als drohend oder etwa
mitleidig auf mich und zieht den dunklen Schlafpelz, in dem sie ruht, träge
über die entblößte Schulter herauf.
In diesem Augenblicke ist sie so reizend, so sinnverwirrend, daß ich mein
Blut zu Kopf und Herzen steigen fühle, und das Brett in meiner Hand zu
schwanken beginnt. Sie bemerkt es und greift nach der Peitsche, die auf ihrem
Nachttisch liegt.
»Du bist ungeschickt, Sklave«, sagte sie, die Stirne runzelnd.
Ich senke den Blick zur Erde und halte das Brett, so fest ich nur kann, und
sie nimmt ihr Frühstück und gähnt und dehnt ihre üppigen Glieder in dem
herrlichen Pelz.
Sie hat geklingelt. Ich trete ein.
»Diesen Brief an den Fürsten Corsini.«
Ich eile in die Stadt, übergebe den Brief dem Fürsten, einem jungen
schönen Mann mit glühenden schwarzen Augen und bringe ihr von Eifersucht
verzehrt die Antwort.
»Was ist dir?« fragt sie hämisch lauernd, »du bist so entsetzlich bleich.«
»Nichts, Herrin, ich bin nur etwas rasch gegangen.«
Beim Dejeuner ist der Fürst an ihrer Seite, und ich bin verurteilt, sie und
ihn zu bedienen, während sie scherzen und ich für beide gar nicht auf der
Welt bin. Einen Augenblick wird es mir schwarz vor den Augen, ich schenke
eben Bordeaux in sein Glas und schütte ihn über das Tischtuch, über ihre
Robe.
»Wie ungeschickt«, ruft Wanda und gibt mir eine Ohrfeige, der Fürst lacht
und sie lacht gleichfalls und mir schießt das Blut ins Gesicht.
Nach dem Dejeuner fährt sie in die Cascine. Sie kutschiert selbst den
kleinen Wagen mit den hübschen englischen Braunen, ich sitze hinter ihr und
sehe wie sie kokettiert und lächelnd dankt, wenn sie von einem der
vornehmen Herren gegrüßt wird.
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik