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nicht, sondern tritt wieder vor die Staffelei und ergreift Pinsel und Palette.
Sie ist wunderbar gelungen, es ist ein Porträt, das an Ähnlichkeit
seinesgleichen sucht, und scheint zugleich ein Ideal, so glühend, so
übernatürlich, so teuflisch, möchte ich sagen, sind die Farben.
Der Maler hat eben alle seine Qualen, seine Anbetung und seinen Fluch in
das Bild hineingemalt.
Jetzt malt er mich, wir sind täglich einige Stunden allein. Heute wendet er
sich plötzlich zu mir mit seiner vibrierenden Stimme und sagt:
»Sie lieben dieses Weib?«
»Ja.«
»Ich liebe sie auch.« Seine Augen schwammen in Tränen. Er schwieg
einige Zeit und malte weiter.
»Bei uns in Deutschland ist ein Berg, in dem sie wohnt«, murmelte er dann
vor sich hin, »sie ist eine Teufelin.«
Das Bild ist fertig. Sie wollte ihm dafür zahlen, großmütig, wie Königinnen
zahlen.
»Oh! Sie haben mich bereits bezahlt«, sprach er ablehnend mit einem
schmerzlichen Lächeln.
Ehe er ging, öffnete er geheimnisvoll seine Mappe und ließ mich
hineinblicken – ich erschrak. Ihr Kopf sah mich gleichsam lebendig wie aus
einem Spiegel an.
»Den nehme ich mit«, sprach er, »der ist mein, den kann sie mir nicht
entreißen, ich habe ihn mir sauer genug verdient.«
»Mir ist eigentlich doch leid um den armen Maler«, sagte sie heute zu mir,
»es ist albern, so tugendhaft zu sein, wie ich es bin. Meinst du nicht auch?«
Ich wagte nicht, ihr eine Antwort zu geben.
»Oh, ich vergaß, daß ich mit einem Sklaven spreche, ich muß hinaus, ich
will mich zerstreuen, will vergessen.
Schnell, meinen Wagen!«
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik