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so ruhig, daß mir das Blut dabei erstarrt, und ich mein Herz unter ihrem
Blicke kalt werden fühle. Langsam, mit müder träger Majestät, steigt sie die
Marmorstufen hinauf, läßt ihre kostbare Umhüllung herabgleiten und tritt
nachlässig in den Saal, den Rauch von hundert Kerzen mit silbernem Nebel
gefüllt hat.
Einige Augenblicke sehe ich ihr wie verloren nach, dann hebe ich ihren
Pelz auf, der, ohne daß ich es wußte, meinen Händen entsunken war. Er ist
noch warm von ihren Schultern.
Ich küsse die Stelle, und Tränen füllen meine Augen.
Da ist er.
In seinem, mit dunklem Zobel verschwenderisch ausgeschlagenen
schwarzen Samtrock, ein schöner, übermütiger Despot, der mit
Menschenleben und Menschenseelen spielt. Er steht im Vorsaal, sieht stolz
umher und läßt seine Augen unheimlich lange auf mir ruhen.
Mich faßt unter seinem eisigen Blick wieder jene entsetzliche Todesangst,
die Ahnung, daß dieser Mann sie fesseln, sie berücken, sie unterjochen kann,
und ein Gefühl von Scham seiner wilden Männlichkeit gegenüber, von Neid,
von Eifersucht.
Wie ich mich so recht als den verschraubten schwächlichen
Geistesmenschen fühle! Und was das Schmachvollste ist: ich möchte ihn
hassen und kann es nicht. Und wie kommt es, daß auch er mich, gerade mich
unter dem Schwarm von Dienern herausgefunden hat.
Er winkt mich mit einer unnachahmlichen vornehmen Kopfbewegung zu
sich, und ich – ich folge seinem Winke – gegen meinen Willen.
»Nimm mir den Pelz ab«, befiehlt er ruhig.
Ich zittere am ganzen Leibe vor Empörung, aber ich gehorche, demütig wie
ein Sklave.
Ich harre die ganze Nacht im Vorsaal, wie im Fieber phantasierend.
Seltsame Bilder schweben meinem innern Auge vorbei, ich sehe, wie sie sich
begegnen – den ersten langen Blick – ich sehe sie in seinen Armen durch den
Saal schweben, trunken, mit halbgeschlossenen Lidern an seiner Brust liegen
– ich sehe ihn im Heiligtum der Liebe, nicht als Sklaven, als Herrn auf der
Ottomane liegend und sie zu seinen Füßen, ich sehe mich ihn kniend
bedienen, das Teebrett in meiner Hand schwanken und ihn nach der Peitsche
greifen. Jetzt sprechen die Diener von ihm.
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Buch Venus im Pelz"
Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik