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Es ist ein Mann wie ein Weib, er weiß, daß er schön ist und benimmt sich
danach; er wechselt vier-bis fünfmal im Tage seine kokette Toilette, gleich
einer eitlen Kurtisane.
In Paris erschien er zuerst in Frauenkleidern, und die Herren bestürmten
ihn mit Liebesbriefen. Ein durch seine Kunst und Leidenschaft gleich
berühmter italienischer Sänger drang bis in seine Wohnung und drohte, vor
ihm auf den Knien, sich das Leben zu nehmen, wenn er ihn nicht erhöre.
»Ich bedaure«, erwiderte er lächelnd, »ich würde Sie mit Vergnügen
begnadigen, aber so bleibt nichts übrig, als Ihr Todesurteil zu vollstrecken,
denn ich bin – ein Mann.«
Der Saal hat sich schon bedeutend geleert – sie aber denkt offenbar noch
gar nicht daran, aufzubrechen.
Schon dringt der Morgen durch die Jalousien.
Endlich rauscht ihr schweres Gewand, das ihr gleich grünen Wellen
nachfließt, sie kommt Schritt für Schritt im Gespräche mit ihm.
Ich bin für sie kaum mehr auf der Welt, sie nimmt sich nicht einmal mehr
die Mühe, mir einen Befehl zu erteilen.
»Den Mantel für Madame«, befiehlt er, er denkt natürlich gar nicht daran,
sie zu bedienen.
Während ich ihr den Pelz umgebe, steht er mit gekreuzten Armen neben
ihr. Sie aber stützt, als ich ihr auf meinen Knien liegend die Pelzschuhe
anziehe, die Hand leicht auf seine Schulter und fragt:
»Wie war das mit der Löwin?«
»Wenn der Löwe, den sie gewählt, mit dem sie lebt, von einem anderen
angegriffen wird«, erzählte der Grieche, »legt sich die Löwin ruhig nieder und
sieht dem Kampfe zu, und wenn ihr Gatte unterliegt, sie hilft ihm nicht – sie
sieht ihn gleichgültig unter den Klauen des Gegners in seinem Blute enden
und folgt dem Sieger, dein Stärkeren, das ist die Natur des Weibes.«
Meine Löwin sah mich in diesem Augenblicke rasch und seltsam an.
Mich schauerte es, ich weiß nicht warum, und das rote Frühlicht tauchte
mich und sie und ihn in Blut.
Sie ging nicht zu Bette, sondern warf nur ihre Balltoilette ab und löste ihr
Haar, dann befahl sie mir, Feuer zu machen, und saß beim Kamine und starrte
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik