Seite - 97 - in Venus im Pelz
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in die Glut.
»Bedarfst du noch meiner, Herrin?« fragte ich, die Stimme versagte mir bei
dem letzten Worte.
Wanda schüttelte den Kopf.
Ich verließ das Gemach, ging durch die Galerie und setzte mich auf die
Stufen nieder, welche von derselben in den Garten hinabführen. Vom Arno
her wehte ein leichter Nordwind frische feuchte Kühle, die grünen Hügel
standen weithin in rosigem Nebel, goldner Duft schwebte um die Stadt, die
runde Kuppel des Domes.
An dem blaßblauen Himmel zitterten noch einzelne Sterne.
Ich riß meinen Rock auf und preßte die glühende Stirne gegen den Marmor.
Alles, was bis jetzt gewesen, erschien mir als ein kindisches Spiel; nun aber
war es Ernst, furchtbarer Ernst.
Ich ahnte eine Katastrophe, ich sah sie vor mir, ich konnte sie mit Händen
greifen, aber mir fehlte der Mut, ihr zu begegnen, meine Kraft war gebrochen.
Und wenn ich ehrlich bin, nicht die Schmerzen, die Leiden, die über mich
hereinbrechen konnten, nicht die Mißhandlungen, die mir vielleicht
bevorstanden, schreckten mich.
Ich fühle nun eine Furcht, die Furcht, sie, die ich mit einer Art Fanatismus
liebte, zu verlieren, diese aber so gewaltig, so zermalmend, daß ich plötzlich
wie ein Kind zu schluchzen begann.
Den Tag über blieb sie in ihrem Zimmer eingeschlossen und ließ sich von
der Negerin bedienen. Als der Abendstern in dem blauen Äther aufglühte, sah
ich sie durch den Garten gehen, und da ich ihr behutsam von weitem folgte, in
den Tempel der Venus treten. Ich schlich ihr nach und blickte durch die Ritze
der Türe.
Sie stand vor dem hehren Bilde der Göttin, wie betend die Hände gefaltet,
und das heilige Licht des Sternes der Liebe warf seine blauen Strahlen über
sie.
Nachts auf meinem Lager faßte mich die Angst, sie zu verlieren, die
Verzweiflung mit einer Gewalt, welche mich zum Helden, zum Libertiner
machte. Ich entzündete die kleine, rote Öllampe, welche unter einem
Heiligenbilde im Korridor hängt, und trat, das Licht mit einer Hand
dämpfend, in ihr Schlafgemach.
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik