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Die Löwin war endlich matt gehetzt, zu Tode gejagt, in ihren Polstern
eingeschlafen, sie lag auf dem Rücken, die Fäuste geballt, und atmete schwer.
Ein Traum schien sie zu beängstigen. Langsam zog ich die Hand zurück und
ließ das volle, rote Licht auf ihr wunderbares Antlitz fallen.
Doch sie erwachte nicht.
Ich stellte die Lampe sachte zu Boden, sank vor Wandas Bette nieder und
legte meinen Kopf auf ihren weichen, glühenden Arm.
Sie bewegte sich einen Augenblick, doch sie erwachte auch jetzt nicht. Wie
lange ich so lag, mitten in der Nacht, in entsetzlichen Qualen versteinert, ich
weiß es nicht.
Endlich faßte mich ein heftiges Zittern und ich konnte weinen – meine
Tränen flossen über ihren Arm. Sie zuckte mehrmals zusammen, endlich fuhr
sie empor, strich mit der Hand über die Augen und blickte auf mich.
»Severin«, rief sie, mehr erschreckt als zornig.
Ich fand keine Antwort.
»Severin«, fuhr sie leise fort, »was ist dir? Bist du krank?«
Ihre Stimme klang so teilnehmend, so gut, so liebevoll, daß sie mir wie mit
glühenden Zangen in die Brust griff und ich laut zu schluchzen begann.
»Severin!« begann sie von neuem, »du armer unglücklicher Freund.« Ihre
Hand strich sanft über meine Locken. »Mir ist leid, sehr leid um dich; aber
ich kann dir nicht helfen, ich weiß beim besten Willen keine Arznei für dich.«
»Oh! Wanda, muß es denn sein?« stöhnte ich in meinem Schmerze auf.
»Was, Severin? Wovon sprichst du?«
»Liebst du mich denn gar nicht mehr?« fuhr ich fort, »fühlst du nicht ein
wenig Mitleid mit mir? Hat der fremde, schöne Mann dich schon ganz an sich
gerissen?«
»Ich kann nicht lügen«, entgegnete sie sanft nach einer kleinen Pause, »er
hat mir einen Eindruck gemacht, den ich nicht fassen kann, unter dem ich
selbst leide und zittere, einen Eindruck, wie ich ihn von Dichtern geschildert
gefunden habe, wie ich ihn auf der Bühne sah, aber für ein Gebilde der
Phantasie hielt. Oh! das ist ein Mann wie ein Löwe, stark und schön und stolz
und doch weich, nicht toll wie unsere Männer im Norden. Mir tut es leid um
dich, glaub’ mir, Severin; aber ich muß ihn besitzen, was sage ich? ich muß
mich ihm hingeben, wenn er mich will.«
»Denk an deine Ehre, Wanda, die du bisher so makellos bewahrt hast«, rief
ich, »wenn ich dir schon nichts mehr bedeute.«
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik