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»Ich töte mich hier vor deinen Augen«, murmelte ich dumpf.
»Tu’ was du willst«, erwiderte Wanda mit vollkommener Gleichgültigkeit,
»aber laß mich schlafen.«
Dann gähnte sie laut. »Ich bin sehr schläfrig.«
Einen Augenblick stand ich versteinert, dann begann ich zu lachen und
wieder laut zu weinen, endlich steckte ich den Dolch in meinen Gürtel und
warf mich wieder vor ihr auf die Knie.
»Wanda – höre mich doch nur an, nur noch wenige Augenblicke«, bat ich.
»Ich will schlafen! hörst du nicht«, schrie sie zornig, sprang von ihrem
Lager und stieß mich mit dem Fuße von sich, »vergißt du, daß ich deine
Herrin bin?« und als ich mich nicht von der Stelle rührte, ergriff sie die
Peitsche und schlug mich. Ich erhob mich sie traf mich noch einmal – und
diesmal ins Gesicht.
»Mensch, Sklave!«
Mit geballter Faust gegen den Himmel deutend, verließ ich, plötzlich
entschlossen, ihr Schlafgemach. Sie warf die Peitsche weg und brach in ein
helles Gelächter aus – und ich kann mir auch denken, daß ich in meiner
theatralischen Attitude recht komisch war.
Entschlossen, mich von dem herzlosen Weibe loszureißen, das mich so
grausam behandelt hat und nun im Begriffe ist, mich zum Lohne für meine
sklavische Anbetung, für alles, was ich von ihr geduldet, noch treulos zu
verraten, packe ich meine wenigen Habseligkeiten in ein Tuch, dann schreibe
ich an sie:
»Gnädige Frau!
Ich habe Sie geliebt wie ein Wahnsinniger, ich habe mich Ihnen
hingegeben, wie noch nie ein Mann einem Weibe, Sie aber haben meine
heiligsten Gefühle mißbraucht und mit mir ein freches, frivoles Spiel
getrieben. Solange Sie jedoch nur grausam und unbarmherzig waren, konnte
ich Sie noch lieben, jetzt aber sind Sie im Begriffe, gemein zu werden. Ich bin
nicht mehr der Sklave, der sich von Ihnen treten und peitschen läßt. Sie selbst
haben mich frei gemacht, und ich verlasse eine Frau, die ich nur noch hassen
und verachten kann.
Severin Kusiemski.«
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik