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Ihre Worte brachten mich vollends zu mir.
»Binde mich los!« rief ich zornig.
»Sind Sie nicht mein Sklave, mein Eigentum?« erwiderte Wanda, »soll ich
Ihnen den Vertrag zeigen?«
»Binde mich los!« drohte ich laut, »sonst –« ich riß an den Stricken.
»Kann er sich losreißen?« fragte sie, »denn er hat gedroht, mich zu töten.«
»Seien Sie ruhig«, sprach der Grieche, meine Fesseln prüfend.
»Ich rufe um Hilfe«, begann ich wieder.
»Es hört Sie niemand«, entgegnete Wanda, »und niemand wird mich
hindern, Ihre heiligsten Gefühle wieder zu mißbrauchen und mit Ihnen ein
frivoles Spiel zu treiben«, fuhr sie fort, mit satanischem Hohne die Phrasen
meines Briefes an sie wiederholend.
»Finden Sie mich in diesem Augenblicke bloß grausam und
unbarmherzig, oder bin ich im Begriffe, gemein zu werden? Was? Lieben Sie
mich noch oder hassen und verachten Sie mich bereits? Hier ist die Peitsche«
– sie reichte sie dem Griechen, der sich mir rasch näherte.
»Wagen Sie es nicht!« rief ich, vor Entrüstung bebend, »von Ihnen dulde
ich nichts –«
»Das glauben Sie nur, weil ich keinen Pelz habe«, erwiderte der Grieche
mit einem frivolen Lächeln und nahm seinen kurzen Zobelpelz vom Bette.
»Sie sind köstlich!« rief Wanda, gab ihm einen Kuß und half ihm in den
Pelz hinein.
»Darf ich ihn wirklich peitschen?« fragte er.
»Machen Sie mit ihm, was Sie wollen«, entgegnete Wanda.
»Bestie!« stieß ich empört hervor.
Der Grieche heftete seinen kalten Tigerblick auf mich und versuchte die
Peitsche, seine Muskeln schwollen, während er ausholte und sie durch die
Luft pfeifen ließ, und ich war gebunden wie Marsyas und mußte sehen, wie
sich Apollo anschickte, mich zu schinden.
Mein Blick irrte im Zimmer umher und blieb auf der Decke haften, wo
Simson zu Delilas Füßen von den Philistern geblendet wird. Das Bild
erschien mir in diesem Augenblicke wie ein Symbol, ein ewiges Gleichnis der
Leidenschaft, der Wollust, der Liebe des Mannes zum Weibe. »Ein jeder von
uns ist am Ende ein Simson«, dachte ich, »und wird zuletzt wohl oder übel
von dem Weibe, das er liebt, verraten, sie mag ein Tuchmieder tragen oder
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik