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Die erste Empfindung nach der grausamen Katastrophe meines Lebens war
die Sehnsucht nach Mühen, Gefahren und Entbehrungen. Ich wollte Soldat
werden und nach Asien gehen oder Algier, aber mein Vater, der alt und krank
war, verlangte nach mir.
So kehrte ich still in die Heimat zurück und half ihm zwei Jahre seine
Sorgen tragen und die Wirtschaft führen und lernte, was ich bisher nicht
gekannt, und mich jetzt gleich einem Trunk frischen Wassers
labte, arbeiten und Pflichten erfüllen. Dann starb mein Vater, und ich wurde
Gutsherr, ohne daß sich dadurch etwas geändert hätte. Ich habe mir selbst die
spanischen Stiefel angelegt und lebe hübsch vernünftig weiter, wie wenn der
Alte hinter mir stünde und mit seinen großen, klugen Augen über meine
Schulter blicken würde.
Eines Tages kam eine Kiste an, von einem Briefe begleitet. Ich erkannte
Wandas Schrift.
Seltsam bewegt öffnete ich ihn und las.
»Mein Herr!
Jetzt, wo mehr als drei Jahre seit jener Nacht in Florenz verflossen sind,
darf ich Ihnen noch einmal gestehen, daß ich Sie sehr geliebt habe, Sie selbst
aber haben mein Gefühl erstickt durch Ihre phantastische Hingebung, durch
Ihre wahnsinnige Leidenschaft. Von dem Augenblicke an, wo Sie mein
Sklave waren, fühlte ich, daß Sie nicht mehr mein Mann werden konnten,
aber ich fand es pikant, Ihnen Ihr Ideal zu verwirklichen und Sie vielleicht –
während ich mich köstlich amüsierte – zu heilen.
Ich habe den starken Mann gefunden, dessen ich bedurfte und mit dem ich
so glücklich war, wie man es nur auf dieser komischen Lehmkugel sein kann.
Aber mein Glück war, wie jedes menschliche, nur von kurzer Dauer. Er ist,
vor einem Jahre etwa, im Duell gefallen und ich lebe seitdem in Paris, wie
eine Aspasia.
Und Sie? – Ihrem Leben wird es gewiß nicht an Sonnenschein fehlen, wenn
Ihre Phantasie die Herrschaft über Sie verloren hat und jene Eigenschaften bei
Ihnen hervorgetreten sind, welche mich anfangs so sehr anzogen, die Klarheit
des Gedankens, die Güte des Herzens und vor allem – der sittliche Ernst.
Ich hoffe, Sie sind unter meiner Peitsche gesund geworden, die Kur war
grausam aber radikal. Zur Erinnerung an jene Zeit und eine Frau, welche Sie
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Buch Venus im Pelz"
Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik