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Inhalt und Gliederung 15
Was heiĂt das? Es heiĂt so viel wie, dass es nicht darauf ankommen kann, irgendwelche Mög-
lichkeiten zu verwirklichen; vielmehr kann es jeweils nur darauf ankommen, die eine Notwen-
digkeit zu verwirklichen â das eine, das not tut. Worauf es ankommt, kann also nicht sein, das
jeweils Gekonnte zu leisten, sondern das jeweils Gesollte.
Dementsprechend ist bei Frankl ein systematischer Zusammenhang zwischen Wer-
ten und Sinn zu erkennen (Vik 2008, 262f). Denn Werte sind âumfassende Sinnmög-
lichkeitenâ, bzw. abstrakte âSinn-Universalien, die sich auf die condition humaine als
solche beziehenâ (Frankl 2011, 374). Durch seine IntentionalitĂ€t, die ihrerseits nur
Ausdruck der Dynamik des Geistigen ist, ist der Mensch zum âVollzug von intentio-
nalen Akten des Werterfassensâ (Frankl 2011, 369) befĂ€higt. Werte wirken folglich
âappellativ als Sollensaufrufe, affirmatorisch als Medien der Wertzuschreibung und at-
traktiv als Handlungsmotiveâ (Riedel et al. 2002, 82). In unmittelbarer AnknĂŒpfung
an die Wertphilosophie Schelers (Scheler 1980, 110f.) gilt weiters, dass âes Werte
als objektive Tatsachen im Bereich des Geistig-Emotionalen gibt, dass der Mensch
sie als solche geistig fĂŒhlend wahrnehmen und sein Leben danach ausrichten kannâ
(Gritschneder 2005, 123).
Zur ObjektivitĂ€t der Werte gehört fĂŒr Frankl auch ihre sogenannte âperspektivi-
sche RelativitĂ€tâ, der zufolge âunser Wertbild ebenso wie unser Weltbild uns jeweils
nur gleichsam einen Sektor der Welt sehen lĂ€sst, einen bloĂen Ausschnitt, dass wir
also an die Perspektive gebunden sindâ (Frankl 2011, 371). In diesem Sinne gelten
Werte zwar als âsituationsĂŒbergreifend, lebensweit, ja universal auf den gesamten
Kosmos bezogenâ (Riedel et al. 2002, 85), alles Sollen ist jedoch âdem Menschen je-
weils nur in Konkretheit gegebenâ, âin der Konkretion dessen, was er âhier und jetztâ
tun âsollââ (Frankl 2011, 371).
Dem Sollen begegnet man folglich zunÀchst als Wertzusammenhang, der das Le-
ben umgreift, es konkretisiert sich jedoch als Sinnanruf fĂŒr den einzelnen Menschen
in einer bestimmten Lebenslage. Der Sinn kann gleichwohl nicht erfunden oder er-
zeugt, sondern muss als etwas Einmaliges und Einzigartiges in der Welt entdeckt
werden. Was sich erzeugen lĂ€sst, ist fĂŒr Frankl âentweder subjektiver Sinn, ein bloĂes
SinngefĂŒhl oder â Unsinnâ:
Dass der Sinn in der Welt liegt und nicht primÀr in uns selbst, geht so weit, dass der Mensch
eigentlich nicht nach dem Sinn des Daseins fragen dĂŒrfte, sondern umgekehrt sich selbst als
einen Befragten, seine eigene Existenz als ein Gefragt-werden interpretieren sollte; denn letz-
ten Endes ist er nicht einer, der zu fragen hat: sondern das Leben stellt ihm Fragen â er hat
zu antworten, und zwar indem er die Lebensfragen beantwortet â indem er sein Leben ver-
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Buch Viktor E. Frankl - Gesammlte Werke"
Viktor E. Frankl
Gesammlte Werke
Psychotherapie, Psychiatrie und Religion. Ăber das Grenzgebiet zwischen Seelenheilkunde und Glauben
- Titel
- Viktor E. Frankl
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Autoren
- Alexander Batthyany
- JĂĄnos Vik
- Karlheinz Biller
- Eugenio Fizzotti
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20574-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 318
- Schlagwörter
- Psychotherapie, Psychologie, Psychiatrie, Religion, Logotherapie, Existenzanalyse, Viktor Frankl
- Kategorie
- Geisteswissenschaften