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Vorbemerkungen28
Mit dieser unbewussten Geistigkeit des Menschen – die wir dabei als eine durchaus ich-hafte
qualifiziert haben – wurde jene unbewusste Tiefe erschlossen, in der gerade die großen,
existentiell echten Entscheidungen fallen; daraus aber ergab sich nicht mehr und nicht we-
niger, als dass es ĂĽber das Verantwortungsbewusstsein beziehungsweise die bewusste Verant-
wortlichkeit hinaus auch so etwas wie eine unbewusste Verantwortlichkeit geben muss. [...]
Mit der Anerkennung des geistig Unbewussten begegnete sie [die Existenzanalyse] auch jeder
möglichen einseitigen Intellektualisierung und Rationalisierung in Hinsicht auf das Wesen des
Menschen. Der Mensch konnte ihr nicht mehr als ausschlieĂźliches Vernunftwesen erscheinen
– nicht mehr als ein Wesen, das ausschließlich von der theoretischen oder „praktischen Ver-
nunft“ her zu verstehen ist.
GegenĂĽber der Tiefenpsychologie, die der menschlichen Triebhaftigkeit bis in deren
unbewusste Tiefe gefolgt ist, bewerkstelligt Frankl demnach auch in diesem Zusam-
menhang durch seine ergänzende Sicht vom „ganzen“ Menschen eine wesentliche
Korrektur, indem er nicht nur eine Psychologie des unbewussten Es, sondern auch
eine des unbewussten Ich bzw. der eigentlichen Person kennt und dabei das Geis-
tig-Existentielle wiederum als das eigentlich menschliche Sein herausstellt. Nur vom
Psychologismus wird personale Existenz – als subjektiver Aspekt der Geistigkeit des
Menschen (Frankl 1990a, 270) – versachlicht, objektiviert. Frankl will dagegen den
Begriff „Person“ vor einem versachlichenden Zugriff unbedingt schützen: „Personale
Existenz ist nämlich nicht restlos objektivierbar. Niemals steht Existenz als Objekt vor
mir, vor meinen Augen; sie steht vielmehr immer hinter meinem Denken, hinter mir als
Subjekt. So ist Existenz letzten Endes ein Mysterium. (Frankl 1990a, 268).
Dieses Mysterium personaler Existenz zeichnet sich wohl auch ab, wenn Frankl
durch den Begriff des „unbewussten Gottes“ letztlich das „existentiale Eröffnetsein
des Menschen“ zum Ausdruck bringt, das das Unbewusste bestimmt (Zaiser 2004,
65).
Der Begriff „unbewusster Gott“ ist also – bei Frankl – „eine notwendige Kon-
sequenz des apriorischen, transzendentalen und existentialen ‚Willens zum Über-
Sinn’“ (Zaiser 2004, 65), der seinerseits als Sinnglaube bzw. als „eine Radikalisierung
des ‚Willens zum Sinn’“ (Frankl 1994b, 269) „ebenso wie die Überzeugung von der
Objektivität der Sinnforderungen in einer Tiefe verankert ist, die es nicht mehr zu-
lässt, wirklich ihm abzuschwören, und zwar aus dem einfachen Grunde nicht, weil wir
dieser Glaube ‚sind’“ (Frankl 1994b, 213). Die thematische Bewusstwerdung dieses
Glaubens geschieht nun im Rahmen der Religionen, die Systeme von Ritualen und
Symbolen darstellen, denen der Mensch in dieser Welt gegebenenfalls begegnet:
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Viktor E. Frankl
Gesammlte Werke
Psychotherapie, Psychiatrie und Religion. Ăśber das Grenzgebiet zwischen Seelenheilkunde und Glauben
- Titel
- Viktor E. Frankl
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Autoren
- Alexander Batthyany
- János Vik
- Karlheinz Biller
- Eugenio Fizzotti
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20574-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 318
- Schlagwörter
- Psychotherapie, Psychologie, Psychiatrie, Religion, Logotherapie, Existenzanalyse, Viktor Frankl
- Kategorie
- Geisteswissenschaften