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Übereinkunft: Das Beobachten wie auch das Zurschaustellen sind am Filmmaterial
klar nachvollziehbar. Landschaften werden von erhöhten Standpunkten überblickt
odermit der Kamera abgeschwenkt. Nah- undDetailaufnahmenmachen Arbeitsvor-
gänge genau nachvollziehbar. Werktätige oder Passanten werden abgelichtet,
während sie sich vor der Kamera inszenieren, Blicke austauschen, den Akt des
Gefilmt-Werdens fortlaufendthematisierenundbildlichumsetzen.108
DerFilmwissenschaftlerTomGunningprägte fürdieseArtdesvordokumentari-
schenFilmsdenBegriff„Ansicht“,womitersichandie (etwa imKatalogderBrüder
Lumière) im Zeitkontext gebräuchlichen Bezeichnungen „vue“ oder „view“ an-
lehnte. Den so benannten Aufnahmen fehlte eine zusammenhängende Erzäh-
lung109; einzelneEpisodenwurdenohnenarrativeAbfolgeaneinandergereiht.Man
zeigte,beobachtete,erforschtedasErsichtliche,ohneeineeindeutige Interpretation
und Argumentation einzubringen.110 Damit unterscheidet sich die „Ansicht“ vom
Dokumentarfilm, der nicht nur beschreibt, sondern durch das gezielte Anordnen
(Schnitt, Montage, Zwischentitel etc.) und die kreative Gestaltung des Materials
einedramaturgischeStrukturvorgibtundeinenDiskursverfolgt.111
Arrangierte „Städteansichten“ zählten oftmals zu den ersten Bildern, die im
VorfeldkinematographischerPremierengedrehtundvorgeführtwurden.Dieansäs-
sigeBevölkerungsollteüberdieerste filmischeSelbstpräsentation fürdasneueMe-
dium gewonnen werden. Vor Ort gedrehte Lokalaufnahmen wurden von den
Schaustellern indasStandardprogrammaufgenommen,mituntersogaraufWunsch
desMutterunternehmens– so etwa imFall der Vertragspartner der Lumière’schen
Kinematographenbetriebe.
ImApril 1896 trafen indiesemSinne imAuftragderFirmaLumièrederOperateur
AlexanderPromiound seinGehilfe undDolmetscherAlexanderWerschinger inWien
ein, um folgendeAufnahmen auf Zelluloid zu bannen: DER STEPHANSDOM, DER STADT-
PARK,DERTÜRKENSCHANZPARK,DERVOLKSPRATER,DERPRATER,DIEHAUPTALLEE,AUSFAHRT
DER WIENER FIAKER, KORSO DER SPAZIERGÄNGER, DIE DEUTSCHMEISTERKAPELLE und DAS
108 DieAutorinzitierthierKapitel 5 ihresArtikels:Moser,„FrühesKino“,Kapitel 5„Nummernpro-
gramme–Kleinode aus allerWelt, http://ww1.habsburger.net/de/kapitel/nummernprogramme-
kleinode-aus-aller-welt, 30.11.2014.
109 DieAutorin zitiert hier Kapitel 6 ihresArtikels:Moser, „FrühesKino“, Kapitel 6 „VonderAn-
sicht zur Narration: Genres und Stars, http://ww1.habsburger.net/de/kapitel/von-der-ansicht-zur-
narration-genres-und-stars,30.11.2014.
110 Gunning,Non-ContinousStyle,S. 2. Jung,Uli:ÄsthetischerWandel.Vonder ‚LebendenPhoto-
graphie“ zum Filmgenre, in: Jung, Uli/Loiperdinger, Martin (Hg.): Geschichte des dokumentar-
ischenFilms inDeutschland,Bd. 1,Kaiserreich1895–1918,Stuttgart 2005,S. 221–222.Gunning,Vor
demDokumentarfilm,S. 114–117.
111 Gunning folgthierderGenredefinitiondesFilmemachers JohnGrierson,derdenBegriff„Doku-
mentarfilm“ etablierte.Vgl. dazu:Gunning,VordemDokumentarfilm, S. 113, 117 f. Grierson, John:
First Principles of Documentary, in: Hardy, Forsyth (Hg.), Grierson onDocumentary, Berkley/Los
Angeles1966,S. 145–156.
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Der österreichische Werbefilm
Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Titel
- Der österreichische Werbefilm
- Untertitel
- Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Autor
- Karin Moser
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-062230-0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Culture of memory, media history, advertising
- Kategorie
- Kunst und Kultur