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letztlich der Auswertungskontext. Wurde eine Szene am „Drehort“ projiziert, war
sie als lokal verortet anzusehen. Kam das Material auch an anderen örtlichen
SchauplätzenzumEinsatz, konnte esals Städtefilm indasNummernprogrammder
WanderunternehmerEingangfinden.119
Reisebilder erfreuten sich besonderer Popularität und offerierten ein anspre-
chendesPotpourri anSehenswürdigkeiten,wieParkanlagen,pittoreskeLandschaf-
ten, Denkmäler, prunkvolle Gebäude, Stadtpanoramen, Jahrmarkteindrücke,
exotische Tiere, fremde Sitten und Brauchtümer. Allgemeine Gesamtansichten
wechseltenzubelebtenStraßenoderoptisch interessantenBauwerken.Diepräsen-
tierten „Ansichten“ griffen auf überWochenillustrierte, Panoramen, Reisefotogra-
fien und Postkarten bereits konventionalisierte Ikonen zurück.120 Durch die
MobilisierungdesBlicksermöglichtedieKinematographie jedochneueFormender
Wahrnehmung.Von erhöhtenStandpunktenwurdenLand- undOrtschaften inPa-
noramaschwenks abgelichtet.Nochdeutlicher nachempfindbarmachtendieReise-
erfahrung allerdings die „phantom rides“: In Bewegung befindliche Fahrzeuge
(Züge, Busse, Autos, Schiffe) dienten als mobile Aufnahmestandpunkte, die neue
FormenderLandschaftsinszenierungund-erlebbarkeitermöglichten.121
Der Kinematograph bot dem Publikum Ersatzreisen an. „In wenigen Minuten“
konnteman– lautwerbenderPresse–„unzähligeGegendendurcheilen“,„Ereignissen
beiwohnen“, die man „niemals hätte sehen können“, um zugleich das persönliche
„Wissenumfassendzubereichern“.122AuchtrafderersteHöhepunktderKinematogra-
phie mit den Vorboten des Massentourismus zusammen.123 Vor allem entlang der
Bahnlinien entwickelte sich ein reger Fremdenverkehrsstrom, der Sommerfrischler,
KurgästeundWandererzudenangestrebtenDestinationenbrachte.124Schnellwurden
dieWerbemöglichkeitenderReisebilder erkanntundgenutzt.DiePräsentationderös-
terreichisch-ungarischen Landschaften undAttraktionen oblag aber vorerst ausländi-
schen Erzeugern. 1907 produzierte die britische Charles Urban Trading Co. mit
Unterstützung des k.k. Eisenbahnministeriums das Bild SCHÖNHEITEN TIROLS. Eine
FahrtaufnahmesolltebesondereEinblickegewährenundzueinemBesuchderRegion
119 Vgl.Kieninger,Wanderkinos,S. 295–297.
120 Ebd., S. 292. Jung, Städtebilder, S. 293. Deeken, Annette: Geschichte undÄsthetik des Reise-
films, in: Jung,Uli/Loiperdinger,Martin (Hg.):GeschichtedesdokumentarischenFilms inDeutsch-
land, Bd. 1, Kaiserreich 1895–1918, Stuttgart 2005, S. 299–300, 309. Garncarz, Der nicht-fiktionale
FilmimProgrammderWanderkinos,S. 119.
121 Kieninger,Wanderkinos,S. 292.
122 Österreichischer Komet, „DerKinematograph als Ersatz für Reisen““, Nr. 5, 1. November 1908,
S.5.
123 Die Autorin zitiert hier Kapitel 4 ihres Artikels: Moser, Filmischer Aufbruch in die Moderne,
Kapitel4„VomFahrenundReisen:FremdenverkehrundTourismusfilme“,http://ww1.habsburger.
net/de/kapitel/vom-fahren-und-reisen-fremdenverkehr-und-tourismusfilme,30.11.2014.
124 Sandgruber,ÖkonomieundPolitik,S. 284–287.
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Der österreichische Werbefilm
Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Titel
- Der österreichische Werbefilm
- Untertitel
- Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Autor
- Karin Moser
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-062230-0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Culture of memory, media history, advertising
- Kategorie
- Kunst und Kultur