Seite - 61 - in Der österreichische Werbefilm - Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
Bild der Seite - 61 -
Text der Seite - 61 -
AbdemJahr 1916 lassensichneuerlichexpliziteKriegsanleihewerbefilmenach-
weisen.FürdieBewerbungder fünftenWertpapier-AktionwurdemitDERNÖRGLER273
ein vielgelobter und aufwendiger Film verwirklicht. Protagonist der Handlung ist
BalduinRaunzer, ein „typischer“WienerHausherr. Dem ledigenunduntauglichen
„Grantler“ fehltes trotzdesKriegsannichts.Unddochisterunzufrieden,zerstritten
mit jedermann.Erklagtüber fleischloseTageundäußert sichabfälligüber jegliche
militärischeErfolgsmeldung.ZurEinsichtkommter imZugeeinesnachmittäglichen
Schlafs. Im Traum suchen ihn ein Soldat und ein Handwerker heim, die ihm die
„Titanenarbeit“anderKriegs- undHeimatfront vorAugen führen.Groß inszenierte
Schlachtenaufnahmen werden ebenso dargeboten wie „Szenen aus Österreichs
Geschütz-,Munitions-undAeroplanfabriken“ (u.a.BilderausdenŠkoda-Werken in
Pilsen),UnterseebooteinsätzeundWohlfahrtseinrichtungen.Die„ArbeitderFrauen
imHinterland,die imSchweiße ihresAngesichtsdas tun,was früherMänner getan
haben“, wird gleichfalls berücksichtigt. Der Traum kommt einer Katharsis gleich.
Der geläuterte Nörgler avanciert zu „einem Helden der Heimatfront“, der seiner
„vaterländischenPflicht“nachkommt:ErzeichnetKriegsanleihen.274
DiePressekommentiertedenFilmmit euphorischemÜberschwang:Über lange
Streckenwäremansichgarnichtbewusst,dassessichhierum„Agitation“handle.
DieProduktionseials„Schlagerfilm“zubewerten,denkeinKinobesitzer in seinem
Programmmissen dürfe. Letztlich beweise DER NÖRGLER, von welch großemWert
die filmische Propaganda sei. Gerade in denTagendesWeltkriegs habe besonders
„dasKinogroßeundschöneAufgabenzuerfüllen“.275
Die Verleihfirma „Philipp&Pressburger“nutzte die Filmankündigungenund
-besprechungen dazu, die eigene „patriotische Gesinnung“ nachhaltig zu unter-
streichen und letztlich Eigenwerbung zu betreiben. Die unentgeltliche Abgabe
des StreifensDERNÖRGLER andie österreichischenKinobesitzer in den ersten fünf
bis sechs Wochen wurde hierbei wiederholt betont und verlautbart, dass das
273 DER NÖRGLER, A 1916, P: Österreichisch-Ungarische Sascha-Messter Filmfabrik Ges.m.b.H.,
Länge(L):900–1500Meter,3–4Akte,R:FritzFreisler,Kamera (K):LudwigSchaschek,D:FritzFrei-
sler.Vgl.:Thaller,Filmografie,S. 277.
274 Österreichischer Komet, „Vorführung der Firma Philipp& Pressburger“, Nr. 342, 2. Dezember
1916, S. 10–11.Die Filmwoche, „Ein patriotischer Propagandafilm“, Nr. 188, 2. Dezember 1916, S. 6
f.Paimann’sFilmlisten,„DERNÖRGLER“,Nr.48, 24.–30.November 1916,o.S.KA,AOK,KPQ,Ktn.62,
Filmstelle 1917,„SchreibenHauptmannLöwensteinandasKommandodesk.u.k.Kriegspressequar-
tiers“, Nr. 10533, 21. September 1917. Im Jahr 1918produziert die deutsche „Neutral-Film“mitREN-
TIER einen imAufbauähnlichenFilm.Auchhierwird einVertreter des gutbürgerlichenMilieus im
Traum bekehrt; zwei Flieger entführen ihn an die Front. Kulicke zeichnet schließlich deutsche
Kriegsanleihen. Siehe: Jung,Uli/Mühl-Benninghaus,Wolfgang: ÄsthetischerWandel. Dokumenta-
rische Propagandafilme, in: Jung, Uli/Loiperdinger, Martin (Hg.): Geschichte des dokumentar-
ischenFilms inDeutschland,Bd. 1,Kaiserreich1895–1918,Stuttgart 2005,S.439–440.
275 KinematographischeRundschau,„EinpatriotischesWerk imFilm“,Nr.455, 1916,S. 12–13.Kine-
matographischeRundschau,„DERNÖRGLER“,Nr.456, 1916,S. 55.
5.2 „DieErfüllungeinerpatriotischenPflicht“ 61
zurück zum
Buch Der österreichische Werbefilm - Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938"
Der österreichische Werbefilm
Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Titel
- Der österreichische Werbefilm
- Untertitel
- Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Autor
- Karin Moser
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-062230-0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Culture of memory, media history, advertising
- Kategorie
- Kunst und Kultur