Seite - 85 - in Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
Bild der Seite - 85 -
Text der Seite - 85 -
Sienichtsostrenggewesen‹,undihndadurcheinerVoreingenommenheit,somit
einer Eigenschaft beschuldigte, die ihn in der allgemeinenAchtung herabzu-
setzen geeignet ist«.24Nach dermündlichenDisziplinarverhandlung erkannte
derAkademische Senat, dass Spann einen »Verstoss gegenden akademischen
Anstand«,Grünberghingegen»einVergehengegendenakademischenAnstand
begangen«25habe.
3. DieDisziplinaruntersuchunggegenHansKelsen26
ImMai 1923machteKelsen eineEingabe andieDisziplinarkammer, in der er
anzeigte,dassFritzSanderTatsachenbehaupte,»die,wennsiewahrwären,mit
der Standesehre eines akademischen Lehrers unvereinbar wären«27 – auf den
Punkt gebracht, beschuldigte SanderKelsendesPlagiats unddieDrucklegung
Sanders Arbeit verzögert zu haben. Zwar bezeichnete Kelsen das Schriftstück
nicht explizit als (Selbst)Anzeige, aberderVorsitzendederDisziplinarkammer
HansSperlerkanntediesesalseinesolcheanundleiteteeineUntersuchungein.28
Es wurden ein Gutachten Adolf Menzels angefordert und zahlreiche Zeugen
vernommen – neben Sander selbst auch Adolf Merkl, Alfred Verdroß, Ernst
Seidler, Richard Striegel und andere. ZumUntersuchungsführer wurde Alex-
anderLöfflerbestellt.NacheinerumfangreichenUntersuchungkamdieDiszi-
plinarkammer zumSchluss, dass die SelbstanzeigeKelsens zurückzulegen sei,
dadieAnschuldigungenSanders gänzlichgrundloswaren. In ihremBeschluss
betonte dieDisziplinarkammerdieUnterstützung, dieKelsen Sander geleistet
hatte.29UmKelsen nach außen hin gegen die Vorwürfe Sanders zu schützen,
24 AntragGleispachsvom6.2. 1923,UAW,DisziplinaraktKarlGrünbergundOthmarSpann,
Sonderreihe Disziplinarakten, Senat S. 185.270; wobei Gleispach in Grünbergs Fall von
einem schweren, in Spanns Fall von einem leichten Disziplinarvergehen ausging. Spann
erklärtebei seinerEinvernahme, erhabe»Ostjuden«gemeint.
25 DasUrteilwurdeam16.3.1923gefällt,vgl.UAW,DisziplinaraktKarlGrünbergundOthmar
Spann, SonderreiheDisziplinarakten, Senat S. 185.270,AmtsvermerkamUrteilsvorschlag.
DieDisziplinarkammer setzte sich ausdemVorsitzendenHansSperlunddenMitgliedern
OswaldRedlich, Josef Schaffer, ConstantinHohenloheundRudolfKöstler sowiedemDis-
ziplinaranwaltWenzelGleispachzusammen.
26 UAW,DisziplinaraktHansKelsen,SonderreiheDisziplinarakten,SenatS. 185.296.Vgl.auch
Olechowski, Busch,HansKelsenalsProfessoranderDeutschenUniversitätPrag.
27 Eingabe Kelsens vom 7.5. 1923, UAW, Disziplinarakt Hans Kelsen, Sonderreihe Diszi-
plinarakten, SenatS. 185.296.
28 Schreiben Sperls vom 10.5. 1923, UAW, Disziplinarakt Hans Kelsen, Sonderreihe Diszi-
plinarakten, SenatS. 185.296.
29 Beschluss der Disziplinarkammer vom 20.7. 1923, UAW, Disziplinarakt Hans Kelsen,
SonderreiheDisziplinarakten, SenatS. 185.296.
DieeinzelnenFälle 85
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Titel
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Autoren
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 838
- Kategorie
- Recht und Politik