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9. DieDisziplinaranzeigeGustavWalkersgegenFelixKornfeld64
DerDekanHold-Ferneck hatte auf Grund eines Beschlusses des Professoren-
kollegiums am 29. Juni 1930 ein Schreiben an den Privatdozenten Kornfeld
bezüglichdessenLehrtätigkeit gerichtet.AusdemAntwortschreibenKornfelds
geht hervor, dass er offenbar aufgefordert wurde, auf derGrundlage von §21
Abs. 3HabilN 1920 seine venia legendi zurück zu legen, da er seine Lehrver-
anstaltungenunregelmäßig halte. Kornfeld erwiderte darauf, dass dieseHabi-
litationsordnungauf ihngarnichtanwendbarsei,daernochnachderHabilVO
1888dieLehrbefugniserlangthatteunddieseeineanalogeNormnichtvorsehe.
Weiters wies er denVorwurf des Professorenkollegiums zurück und betonte,
dasseszwarvielleichtseinmöge,dasserdieLehrveranstaltungspäterals seine
Kollegen angekündigt habe, aber dass keine »andauernde Unregelmäßigkeit«
vorliege.Abschließend fügte er einigepersönlicheWortehinzu, die ausschlag-
gebend für dieDisziplinaranzeige sein sollten: »Ich gehöre seit langen Jahren,
wie ichwohl sagen kann, zu den angesehenstenWiener Rechtsanwälten und-
muss[sic]michschonausdiesemGrundegegendieAufforderung,aufdievenia
legende [sic] zu verzichten, auf das Entschiedenste verwahren […]Dass aber
einemangesehenenMitgliededesBarreau[Anm.:d.h.Anwaltschaft],dasseine
Zeit undMüheohneEntgelt demDienste der von ihmgeliebtenWissenschaft
vieleJahrelangopfert,geradezueinconsiliumabeundierteiltwird,kannselbst,
wenn es gesetzlich begründetwäre, (was aber beimir nicht der Fall ist), nicht
nachdrücklichgenugzurückgewiesenwerden.Uebrigensbinich,abgesehenvon
meiner sozialen Position schon in demAlter angelangt, inwelchemZurecht-
weisungen–selbstwennsienachdenBuchstabendesGesetzesberechtigtwären,
was ichbestreite –nichtmehr amPlatz sind.«65DerDisziplinaranwaltKöstler
betonte zwar, dass es sich bei demSchreibenKornfelds umeine »Ungeheuer-
lichkeit«66 handle, sah aber darin kein Disziplinardelikt, so dass die Angele-
genheit nach einstimmigem Beschluss der Disziplinarkammer67 zum Dekan
weitergeleitetwurdemitderAufforderung,diesedementsprechendzuahnden.
64 UAW,DisziplinaraktFelixKornfeld, SonderreiheDisziplinarakten, SenatS. 185.439.
65 SchreibenKornfelds an dasWiener rechts- und staatswissenschaftliche Professorenkolle-
gium vom 3.7. 1930, UAW, Disziplinarakt Felix Kornfeld, Sonderreihe Disziplinarakten,
SenatS. 185.439.
66 SchreibenKöstlers anSperl vom10.12. 1930,UAW,DisziplinaraktFelixKornfeld, Sonder-
reiheDisziplinarakten, SenatS. 185.439.
67 DiesergehörtenbeiderUntersuchungan:HansSperl alsVorsitzender,ErnstTomek,Hans
Mayer, Josef Schaffer, Alfons Dopsch und die Standesvertreter Fritz Hawelka undGustav
Lippert. Vgl. UAW, Disziplinarakt Felix Kornfeld, Sonderreihe Disziplinarakten, Senat
S. 185.439.
DieeinzelnenFälle 91
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Titel
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Autoren
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 838
- Kategorie
- Recht und Politik