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wissenschaftlichen Einstellung gewissermaßen fernliegende Gefühle bei den
Herren Kollegen hervorrufen könnte. Professor Schönbauer hat sich da be-
deutendkürzerausgedrückt,dochistesunterdenheutigenVerhältnissennicht
ratsam, darauf näher einzugehen. SeinAntragwurde angenommen.DieHöhe
derPensiondesProfessorsGleispachwurde inder Sitzungnicht verlesen.Die
PensionbereitetübrigensdenFreundenGleispachsgroßeSorgen.Insbesondere
dieFrage,ober inderLage seinwird,derBerufungnachBerlinzu folgen,den
GehaltderNaziregierunginBerlinzubeziehenundgleichzeitigvonOesterreich
eine Pension zu erhalten. Gleispach hat bis heute keine bindende Erklärung
abgegeben, ob er nachBerlinübersiedelt. Im Schoße der juridischen Fakultät
wird übrigens als neuesteWendung in der Angelegenheit des ProfessorsHu-
gelmann, der ebenfalls disziplinarisch hätte pensioniert werden sollen, die
Tatsacheerörtert,daßesdenFreundenHugelmannsgelungensei,mitRücksicht
auf die vier Kinder des ehemaligen christlichsozialen Bundesrates eine un-
günstigeEntscheidungzuverhindern.«
Diese»EinzelheitausderSitzung(AbbruchderVerlesungdesMin.-Erlassesbei
demAbschnitt über die Pension Prof. Gleispach’s [sic])« wurde imProtokoll
nicht vermerkt, weiters führte Schönbauer aus: »andererseits [konnte]meine
halblauteBemerkung [Anm.undzwar laut Schönbauer:Wortlautbedeutungs-
los!]76 zu demunmittelbar nebenmir sitzendenHerrnDekanunmöglich von
einem Lauscher außerhalb des Sitzungszimmers gehört werden«. Somit war
klar, dass es sichumeine »Indiskretion einesTeilnehmers der […]Fakultäts-
sitzung v. 28.X.«77 handeln musste, weshalb der Disziplinaranwalt Ernst
Schönbauer wegen »Verletzung der Standespflichten und Standesehre« durch
den Bruch des Amtsgeheimnisses Erhebungen einleitete. Eine Disziplinarun-
tersuchungwurdeebenfalls inderFakultätssitzungvom6.November1933ge-
fordert.AlsUntersuchungsführerfungierteAdolfMerkl,deralleTeilnehmerdes
Professorenkollegiumsvernahmund ihre ehrenwörtlichenErklärungen entge-
gennahm.AnderbetreffendenSitzunganwesendwarenSchönbauerundMerkl,
weiters Hupka, Spann,Hold-Ferneck,Mayer, Köstler,Walker, Pisko, Verdroß,
der Dekan Degenfeld, Hugelmann, Goldmann, Brassloff, Streicher, und als
Privatdozentenvertreter GottfriedHaberler.78AndieAussage konnten sich je-
dochnur– laut eigenenAngaben–Hold-Ferneck,Degenfeld,Brassloff,Mayer,
Hugelmann,Goldmann,KöstlerundHupkaerinnern.Nichtanwesendbeidem
76 Laut GoldmannundHupka sagte Schönbauer etwa »das gehört wohl nicht hierher«. Vgl.
Aussage Goldmanns vom 13.12. 1933, UAW, Disziplinarakt gegen unbekannte Täter,
SonderreiheDisziplinarakten, SenatS. 185.619.
77 MitteilungSchönbauers andenRektor vom17.11. 1933,UAW,Disziplinaraktgegenunbe-
kannteTäter, SonderreiheDisziplinarakten, SenatS. 185.619.
78 SchreibenMerkls an die Sitzungsteilnehmer vom9.12. 1933, UAW,Disziplinarakt gegen
unbekannteTäter, SonderreiheDisziplinarakten, SenatS. 185.619.
Disziplinarrecht94
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Titel
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Autoren
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 838
- Kategorie
- Recht und Politik