Seite - 126 - in Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
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Die Staatswissenschaftenwaren insbesonderemit AugustMaria Knoll ver-
treten. Knoll hielt gemeinsammit demkatholischenPriester undKirchenhis-
toriker Johannes Hollnsteiner die Vorlesung »Zur weltanschaulichen und
staatsbürgerlichen Erziehung«; die gleichnamige Veranstaltung für Hörer der
evangelisch-theologischenFakultät bot er gemeinsammitdemHistorikerKarl
Völker an. »Überdie ideellenundgeschichtlichenGrundlagendesösterreichi-
schenStaates«unterrichtetenmeistdieHistorikerAlfonsDopschundHeinrich
Kretschmayr. Anders als die Hörer/innen der übrigen Studienrichtungen
konnten sich die Studierenden der Rechts- und Staatswissenschaften die va-
terländischen Pflichtvorlesungen immerhin für die vorgeschriebeneMindest-
zahlder ineinemSemester zu inskribierendenStundenanrechnen lassen.
DiemännlichenStudentenmusstenzudemanvormilitärischenÜbungenund
anHochschullagern teilnehmen. Das vorrangige Ziel derHochschullager war
das Gemeinschaftsleben, dieHerstellung einer österreichischenGemeinschaft
unterdenStudierenden,dieserkünftigengeistigenFührerschaftdesLandes.Die
Lagermussten von allen ordentlichenHörernweltlicher Studienrichtungen78,
österreichischer Staatsbürgerschaft undmännlichenGeschlechts, die bei Stu-
dienbeginn ihr 30.Lebensjahr nochnicht vollendet hattenundkörperlich ge-
eignetwaren,besuchtwerden,umzudenAbschlussprüfungen ihres jeweiligen
Studiums zugelassen zuwerden.GemäßderdiesesGesetz präzisierendenVer-
ordnung79 galt die Verpflichtung zur Teilnahme für jene Studenten, die ihr
Studiummit demWintersemester 1935/36 oder später begonnen hatten oder
beginnenwürden. FrauenwarenzurTeilnahmeamHochschullagerweder ver-
pflichtetnochfreiwilligzugelassen.DieRekatholisierungÖsterreichshatteeine
RemaskulinisierungderGesellschafteingeleitet,diederFraueinzigdieRolleder
EhefrauundMutter zuschrieb.80
Die vierwöchigenHochschullager fanden in den Sommern 1936 und 1937
statt.81RobertHampelberichtet inseinenErinnerungenüberdas1937besuchte
Hochschullager amKreuzbergbeiWeißensee inKärnten: »ZueinerZeit, da in
Hitler-Deutschland der Studentenschaft zahlreiche Nebenleistungenwie Ern-
tedienst undSchulungen auferlegtwaren,wollte auch Schuschnigg-Österreich
seineStudentenvormilitärischerziehenundsiedabeiweltanschaulich-politisch
imSinneder ›VaterländischenFront‹beeinflussen[…]Alseinerdererstentraf
ichaufdemKreuzbergein[…]VonderLederhosebiszumStadtanzugwaralles
vertreten, doch indenFolgewochengaltennurdieumgeringesGeld zubezie-
78 Von der Verpflichtung ausgenommen waren jedoch zum Beispiel die Studierenden der
Konsularakademie(vgl.ÖStAHHStA,Sonderbestände,ArchivderKonsularakademie45–6,
KorrespondenzbetreffendHochschulerziehungsgesetz1935).
79 Vgl.BGBl149/1936.
80 Vgl.Bandhauer-Schöffmann,Geschlechterdifferenzen15.
81 Näher zudenHochschullagernEhs,NeueÖsterreicher.
Allgemeines126
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Titel
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Autoren
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 838
- Kategorie
- Recht und Politik