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zeitbedingten Reformforderungen vollauf Rechnung trägt, ohne jedoch die
Traditionswertederüberkommenen juristischenBildungeinfachüberBordzu
werfen.«66
2. DieStaatsprüfungen67
Als Voraussetzung für den Eintritt in den Staatsdienst mussten zusätzlich zum
Besuch der verpflichtenden Lehrveranstaltungen drei Staatsprüfungen absolviert
werden: die rechtshistorische, die judizielle und die staatswissenschaftliche. Die
rechtshistorischeStaatsprüfung sollte gem.§5RStG1893»indenerstenWochen
des vierten Semesters abgelegt werden«, die weitere Reihenfolge der Staatsprü-
fungenwargesetzlichnichtgeregeltunddieEntscheidungoblagdemStudierenden.
Als frühesterZeitpunkt fürdie zweite Staatsprüfungkamendie »letztenvierWo-
chen des letzten Semesters« in Frage. Als Prüfungsfächer der rechtshistorischen
Staatsprüfungnannte§12RStVO1893dasrömischeRecht,dasKirchenrecht,das
deutscheRecht (GeschichtederQuellenunddesöffentlichenRechtes,Geschichte
undSystemdesdeutschenPrivatrechtes)unddieösterreichischeReichsgeschichte
(GeschichtederStaatsbildungunddesöffentlichenRechtes).DieFächerder judi-
ziellen Staatsprüfung setzten sich aus österreichischem Privatrecht, österreichi-
schemHandels- undWechselrecht,österreichischemzivilgerichtlichenVerfahren
sowieösterreichischemStrafrechtundStrafprozesszusammen.DiePrüfungsfächer
derstaatswissenschaftlichenStaatsprüfungwarenallgemeinesundösterreichisches
Staatsrecht, Verwaltungslehre und österreichisches Verwaltungsrecht, Volkswirt-
schaftslehreundVolkswirtschaftspolitik,sowieFinanzwissenschaft,mitbesonderer
Berücksichtigung der österreichischen Finanzgesetzgebung.1922 kam als Zulas-
sungsvoraussetzungdieAbsolvierungvonentsprechendenPflichtübungenhinzu.68
Anders als bei denRigorosen,die reinvonakademischenLehrerndurchge-
führtwurden,setztesichdiePrüfungskommissionbeidenStaatsprüfungenaus
MitgliedernderRechts-undStaatswissenschaftlichenFakultät undausPrakti-
kern zusammen. Einen Einblick in kontroverse Prüfungssituationen gibt der
DisziplinaraktdesThaddäusPetracki,69der am29.April 1918 zur rechtshisto-
rischenStaatsprüfungangetretenwar. In seinemSchreibenandenDekanVol-
telini schildertWlassak,derzusammenmitOthmarDoublier70undKöstlerdie
rechtshistorische Staatsprüfung abnahm, folgendermaßen die Umstände der
Prüfung: »UnterdenvierKandidaten,dieum9Uhrantraten,befandsichHerr
66 Merkl, Leitgedanken377.
67 ZurEinführungvonStaatsprüfungenvgl. Staudigl-Ciechowicz, Staatsprüfungen.
68 Vgl.dazu140f.
69 ImAkt wird seinNachname unterschiedlich geführt: Petracki, Petrazky, Petracky, Pedracki.
70 4. 9. 1865–29.4. 1946,DoublierOthmar, in:ÖBLI (Wien1956)197.
DasStudiumderRechtswissenschaften150
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Titel
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Autoren
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 838
- Kategorie
- Recht und Politik