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12 Ein Kartograph tritt langsam aus dem Schatten
Der am 30. Oktober 1644 (alter Stil 20. Oktober)9 in Dessau (Abb. 1) als Sohn des
Registrators, Justizsekretärs und Botenmeisters Martin Andermüller10 und seiner Frau Eli-
sabeth Straub geborene Bernhard Georg AndermĂĽller (Taufe 25. Oktober/4. November)
verlor seine Eltern noch im Kindesalter und wuchs als Waise auf11. Nach dem Besuch der
Dessauer Stadtschule, wo sein wacher Geist auffiel, absolvierte er ab 28. November 1660
das „Gesamt Gymnasium“ in Zerbst, folgte damit seinem wohl aus Zerbst stammenden
Vater, der 1635 diese wichtige Bildungseinrichtung besucht hatte12. Auch ein Bruder
Bernhard Georgs scheint in Zerbst am Gymnasium gewesen zu sein, 1665 scheint dort
Martin Wilhelm Andermüller auf13. Gerade das Zerbster „Gymnasium Illustre“ sollte im
Sinne einer anhaltischen Landesuniversität Bedienstete der Landesverwaltung, Schulleh-
rer, aber auch Theologen ausbilden14. Bernhard Georg AndermĂĽller ging anschlieĂźend
juristischen Studien nach, so lässt er sich nach seiner Immatrikulation am 6. Juni 1663
als Studierender der Rechtswissenschaften in den Universitätsmatrikeln an der 1506 ge-
gründeten brandenburgischen, reformiert ausgerichteten Universität Viadrina in Frank-
furt an der Oder finden: „Bernhardus Georgius Andermüllerus Dessau(?)-Anhaltinus“15.
Einen Hinweis auf weitere universitäre Studien des jungen Mannes gibt auch eine 1664
in Frankfurt an der Oder gedruckte theologische Disputation, bei der AndermĂĽller wohl
am Ende seines Studiums als einer der Autoren aufscheint16. Am 22. November 1667
kann man Andermüller als Hörer der Rechtswissenschaften in den Matrikeln der 1544
gegründeten, irenisch-lutherischen Albertus-Universität Königsberg, die nach dem Drei-
ßigjährigen Krieg aufblühte, fassen17.
Nach seinem Studium fungierte Andermüller als Hofmeister bei einem nicht näher
genannten jungen Freiherrn von Kettler aus dem Kurland18 und begleitete den jungen
Eleven durch das Heilige Römische Reich sowie durch die nördlichen und die spani-
schen Niederlande19. Nach Abschluss der Reise verbrachte AndermĂĽller einige Zeit als
Hofmeister und Hauslehrer am kurländischen Hof der Familie. Die Stellung eines Hof-
meisters war eine typische Warteposition ärmerer bürgerlicher Universitätsabsolventen
9 Gemäß der späten Umstellung protestantischer Reichsterritorien auf die von Papst Gregor XIII. 1582
angeordnete Kalenderreform weicht der am Julianischen Kalender festhaltende alte gegenĂĽber dem neuen Stil
bis zum Jahre 1700 um zehn, von da an bis 1800 um elf Tage ab; Scheutz, „Den neuen bäpstischen calender
anlangende“ 118–127. In unserem Text führen wir ausschließlich die Daten nach dem „stilus novus“ an.
10 Zu den Bestallungsdekreten für Martin Andermüller aus 1639 und 1647 siehe die Bestände im LASA,
DE, Z 44, C5h Bd. 5 (darin verschiedene Bestallungen, darunter auch die für den Justizsekretär Martin An-
dermĂĽller).
11 Die biographischen Angaben entstammen großteils der Trauer- und Gedächtnuß-Rede 5 (auch im Fol-
genden).
12 Specht, Die Matrikel des Gymnasium Illustre 53.
13 Ebd. 63.
14 Als Ăśberblick Castan, Hochschulwesen und reformierte Konfessionalisierung; Specht, Die Matrikel
des Gymnasium Illustre 60.
15 Liebe–Theuner, Aeltere Universitäts-Matrikeln 97, Zeile 39; Trauer- und Gedächtnuß-Rede 5.
16 Bergius–Andermüller–Hermann, Disputatio Theologica.
17 Erler, Die Matrikeln 2 49.
18 Zu den Kettler als Herzögen von Kurland: Irene Neander, Art. Friedrich Kasimir Kettler. NBD 5
(1961) 513f.; dies., Art. Ferdinand Kettler. NDB 5 (1961) 90f.; denkbar wären Karl Jakob (1654–1677),
Ferdinand (1655–1737) oder Alexander Kettler (1659–1686). Eher unwahrscheinlich ist eine Identifizierung
mit Friedrich Kettler (1650–1698), der auf Kavalierstour am Pariser Hof weilte.
19 Trauer- und Gedächtnuß-Rede 7.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen