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Das sachsen-lauenburgische Erbe als Problem 23
schen Öffentlichkeit des Heiligen Römischen Reiches das gute Einvernehmen nach dem
Erbbrüdervertrag unterstreichen. Um keine Zeit im Ernstfall zu verlieren, ließ sich Jo-
hann Georg Anfang 1686 eine Vollmacht von den restlichen anhaltischen Fürsten ausstel-
len, sodass er unmittelbar nach der Todesnachricht die anhaltischen Erbansprüche geltend
machen konnte. Umgekehrt trug Julius Franz durch seine unklare Politik viel zum sich
anbahnenden Erbstreit bei. Noch kurz vor seinem Tod unterstellte er seine beiden Töchter
dem Schutz Kaiser Leopolds I. Obwohl die weibliche Erbfolge in Sachsen-Lauenburg
eingeführt worden war, ließ der Kaiser 1689 das Herzogtum einziehen, sodass den Töch-
tern des verstorbenen Herzogs, Anna Maria Franziska (1672–1741) und der später mit
Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden verehelichten Maria Sybilla Augusta (1675–1733),
nur die böhmischen Besitzungen als Erbe blieben.
Der 1688 ausgebrochene Pfälzer Erbfolgekrieg und die Auseinandersetzung mit
Frankreich überlagerten die Erbfolge in Sachsen-Lauenburg 1689 unheilvoll. Unmittel-
bar nach dem Tod von Julius Franz am 19. September 1689 pochten sowohl Kursachsen
als auch Anhalt auf ihre Erbansprüche. Vollendete Tatsachen schuf der benachbarte Her-
zog Georg Wilhelm von Lüneburg-Celle (1624–1705) mit seiner großen Armee, der in
seiner Eigenschaft als Befehlshaber des niedersächsischen Kreises schon Ende September
sowohl im nördlichen als auch im südlichen Teil von Sachsen-Lauenburg mit Truppen
einmarschierte und so die welfischen Erbansprüche durch die Macht des Faktischen un-
terstrich80. Kursachsen hatte zudem als Erster die Nachricht vom Tod Julius Franz’ erhal-
ten und seine Erbansprüche durch Kommissare geltend gemacht, die Teile des Landes
dabei schon zur Huldigung bewegt hatten81. Damit bewarben sich neben Anhalt auch
noch Kursachsen und Lüneburg-Celle um die Nachfolge in Sachsen-Lauenburg. Johann
Georg II., der das komplexe Reichsrecht auf seiner Seite wusste, stützte sich einerseits
auf Friedrich III. von Brandenburg und andererseits auf die Hilfe des Kaisers. Fried-
rich III. von Brandenburg unterstützte den Dessauer Fürsten zwar „in so naher Allianz
und blutfreündschaft“82, weigerte sich aber militärisch zu intervenieren. Der Streit um
die Vertretung der lauenburgischen Stimme eskalierte auf dem Regensburger Reichstag.
Brandenburg, das bislang die anhaltischen Interessen durch den kurbrandenburgischen
Gesandten Ernst von Metternich mitvertreten hatte, forderte als sichtbares Zeichen der
Distanz Anhalt auf, einen eigenen anhaltischen Gesandten nach Regensburg in Person
von Friedrich Gottlieb Raumer (1643–1728)83 zu entsenden, um die lauenburgische An-
gelegenheit selbst zu betreiben. Anhalt geriet damit als kaisertreuer Reichsstand, aber eben
auch als kurbrandenburgischer Parteigänger in die Mühle der europäischen und gesamt-
reichischen Konfliktlagen und drohte mit seinem Anspruch alleine zu bleiben. Eine Kon-
ferenz in Torgau im Jänner und Februar 1690 versuchte die lauenburgischen Ansprüche
von Kursachsen, Brandenburg, Braunschweig abzuklären, ohne die komplexe Sachfrage
lösen zu können. Auf die Besetzung Sachsen-Lauenburgs durch die Truppen von Georg
Wilhelm von Celle reagierte der dänische König Christian V. (1646–1699) 1693, indem
er die lauenburgische, nach 1689 rasch befestigte Stadt Ratzeburg belagern, beschießen
und in Schutt und Asche legen ließ84. Die Welfen konnten sich 1697 mit Kursachsen,
80 Zu dieser militärischen Kampagne insgesamt Rundstedt, Die militärische Besetzung.
81 So etwa im Fall von Ratzeburg Rundstedt, Die militärische Besetzung 465.
82 Rohrschneider, Johann Georg II. 361.
83 Zur Familiengeschichte Raumer, Geschichte der Familie.
84 Krüger, Militär und Stadt 404–409.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen