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5. Eine gesamt-anhaltische diplomatische Mission in Wien
1699–1703
Der Wiener Hof wollte in der Frage der sachsen-lauenburgischen Erbangelegenheit
kein Risiko eingehen und suchte lavierend und dilatorisch Dynamik aus diesem viel-
schichtigen Konflikt mehrerer Reichsparteien herauszunehmen. Zudem zeigte sich der
Kaiserhof nicht zuletzt wegen des kriegerischen Konfliktes mit Frankreich bemüht, keine
Unruhen im Norden zu riskieren87. Nach dem Tod Johann Georgs II. (1693) wurde die
lauenburgische Angelegenheit der Anhalter Fürsten in einem neuen Anlauf ab 1698 un-
ter dem Seniorat Victor Amadeus’ von Anhalt-Bernburg (Abb. 3) auch an den Höfen in
Kopenhagen und Stockholm weiter betrieben88. Auch ihre Bemühungen am kaiserlichen
Hof in Wien nahmen die Anhalter Fürsten ebenfalls ab diesem Jahr wieder auf. Aufgrund
der hohen Kosten und der prekären Finanzlage der Fürstentümer verfügten die Anhalter
über keinen eigenen diplomatischen Geschäftsträger in Wien. Unter Zuhilfenahme der
Dienste von Agenten89, die im Regelfall mit anderen Reichsständen geteilt wurden, si-
cherte man sich aber zumindest entsprechende Informationen und bestimmte Dienste90.
Bernhard Georg Andermüller stand bis 1693 in Diensten des am Kaiserhofe höchst
angesehenen Fürsten Johann Georg II., ohne dass sich sein Wirkungskreis freilich in er-
kennbarer Weise über die anhaltischen Stammlande hinaus entwickelt hätte. Seine Be-
förderung zum Kanzlei- und Regierungsrat nach dem Tod des Fürsten und die gleitende
Übernahme in die Dienste von dessen Sohn Leopold machen deutlich, dass der kompe-
tente Verwaltungsfachmann über die erforderlichen Befähigungen für eine erfolgreiche
Ausübung der ihm übertragenen Agenden verfügte. Die lauenburgische Erbangelegenheit
in Wien hatte sich freilich schleppend und in Summe für die anhaltischen Avancen alles
andere als günstig entwickelt. Am 1. Oktober 1698 verfasste Andermüller deshalb im
Auftrag seines Fürsten ein Schreiben an den Senior der Anhalter Fürsten, Fürst Victor
Amadeus, in dem es um die Instruktion für den in der Angelegenheit des sachsen-lauen-
burgischen Erbes an den Wiener Hof abzusendenden außerordentlichen Bevollmächtig-
ten, Herrn von Blum(e), ging91.
87 Rohrschneider, Johann Georg II. 365.
88 Dazu die entsprechenden Bestände des LASA, DE, die allerdings für die vorliegende Studie nicht ein-
gesehen wurden. Da sich in den Relationen nur vereinzelt Paginierungen finden, ist die exakte Zitierweise von
Belegen nicht immer ganz einfach. – Hervorzuheben ist jedenfalls, dass der Vergleich von Unterschriften An-
dermüllers in seinen zahlreichen Relationen aus Wien (so etwa beim Bericht vom 16. Dezember 1702: LASA,
DE, Z 87, XXIV Nr. 10b, fol. 3v) mit dem Schriftzug von Andermüllers Namen auf der Vogelschau eindeutig
zeigt, dass sein Wiener Stadtplan eigenhändig von ihm angefertigt wurde.
89 Dorfner, Reichs-Agenten; Sellert, Agenten.
90 Rohrschneider, Johann Georg II. 356‒372; ders., Möglichkeiten und Grenzen 194f.
91 LASA, DE, Z 44, B 5, Nr. 39 Bd. I.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen