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7. Antichambrieren, Netzwerken und das Verfassen
von Relationen – die Gesandtschaft Andermüllers und sein
Wiener Umfeld
Der Gesandte Andermüller hatte sich gemäß seiner Instruktion nach seiner Ankunft
unmittelbar beim anhaltischen Residenten Tobias Sebastian Praun zu melden und sollte
die jenige acta [also die Unterlagen im anhängigen Reichshofratsprozess] gegen einen
schein extradiret bekommen143. Neben der Überlassung der Prozessakten um das sachsen-
lauenburgische Erbe beim Reichshofrat sollte der anhaltische Gesandte alle Maßnahmen
setzen, damit das Haus Anhalt zur baldigen bleichung [Belehnung] des an ihn [Haus An-
halt] devolvirten herzogthums Lauenburg bey dem kaiserlichen hofe144 gelange. Andermüller
musste sofort nach überreichung seines creditivs an den obristen cammerherrn mit der sämb-
tlichen regierenden fürsten geziemenden grussesvermeldung und recommendation bey seiner
kayserlichen mayestät allergnädigste audienz145 suchen. Zudem hatte er bei den kaiserlichen
ministris und reichshoffräthen, welche er der dießeitigen gerechtsame zu favorisieren erfahren
wird, zu intimiren und nebst versicherung sattsamer erkäntligkeit bey dem reichsvicecanz-
ler, reichshoffrathspraesidenten und dem geheimen secretario Consbrack […] zu negotiiren146.
Neben dem Reichsvizekanzler Dominik Andreas von Kaunitz (1655–1705)147 und dem
Reichshofratspräsidenten Wolfgang Graf zu Oettingen-Wallerstein (1626–1708, Abb.
4)148 hatte Andermüller vom anhaltischen Agenten Praun und dem Residenten Julius Per-
143 LASA, Z 44, B 5, Nr. 39, Bd. 1: Instruktion vor des fürstlichen hauses Anhalt extraordinar envoyé nach
Wien herrn N. von Blume, 1698 Oktober 1/11. Eine eigene Instruktion für Andermüller konnte bislang nicht
nachgewiesen werden. Im nachfolgenden Kapitel scheint Andermüller häufig im direkten Wortlaut auf, auch
um einen Eindruck seiner Person zu vermitteln. Die Anhalter Fürsten besaßen Erfahrung bei Reichshofrats-
und Reichskammergerichtsprozessen: Erb–Schenk, Zweiundzwanzig Gröbziger Bauern; zum Streit um das
Räumen eines Grabens 1737 (mit dem Resultat eines toten Tagelöhners), der in einen Reichskammergerichts-
prozess (bis in die 1780er Jahre!) mündete, Erb, Der „wilde Wolf von Merzien“.
144 LASA, Z 44, B 5, Nr. 39, Bd. 1: Instruktion, 1698 Oktober 11.
145 Ebd.
146 Ebd.
147 Das Palais des Grafen Kaunitz ist auf der Andermüllerschen Vogelschau vermerkt, siehe dazu unten
Anhang 2, S. 148 Nr. 52. Die Daten der in der Folge genannten Personen können leicht über Sienell, Die
Geheime Konferenz, von Gschliesser, Reichshofrat, eruiert werden.
148 Nach dem Häuserverzeichnis von Johann Jordan aus dem Jahre 1701 (Jordan, Schatz / Schutz / und
Schantz 48) besaß Graf Oettingen-Wallerstein zwei Häuser in der Strauchgasse, die jedoch auf der Vogelschau
Andermüllers nicht vermerkt sind. Es handelte sich um zwei Gebäude, die der Graf 1693 erworben hatte und
die im 19. Jahrhundert in das Montenuovopalais (1, Strauchgasse 1, Heidenschuss 3, Wallnerstraße 10, Nagler-
gasse 31) verbaut wurden, vgl. dazu Art. Montenuovopalais (1, Strauchgasse), Wien Geschichte Wiki. Darüber
hinaus verfügte er über einen Garten an der Donau (Donaukanal), siehe dazu unten S. 117f. mit Anm. 519;
Huber, Analyse der Topographie.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen