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Antichambrieren, Netzwerken und das Verfassen von Relationen 39
huthsamlich menagiren und mich deßen anderwertig nicht merken laßen, welches deroselben
ich mit gebührenden ehrerbietung versicherte153. Andermüller machte weiters die Honneurs
bei den Mitgliedern des Reichshofrates. Er besuchte anschließend den Reichshofratsvi-
zepräsidenten Sebastian Wunibald Truchseß Graf von Waldburg-Zeil (1636–1700), der
dem Gesandten gegenüber bemerkte, dass er die weitleüffige braunschweig-lüneburgische
deduction gelesen und ziemlich durchgegangen; müsten gestehen, daß darinen viel enthalten,
so gar weith hergesuchet wehre und bey denen historien kundigen schwerlich applausum finden
könnte154. Auch die anderen Reichshofräte ergingen sich in Artigkeiten, die zwar aus Sicht
des Hauses Anhalt ermutigend klangen, aber inhaltlich wenig bedeuteten. Anschließend
besuchte Andermüller sowohl Mitglieder der gelehrten Bank als auch der Herrenbank des
Reichshofrates. Heinrich von Heuwel († 1724) von der gelehrten Bank und Karl Ernst
Graf von Waldstein (1661–1713)155 von der Herrenbank zeigten sich interessiert oder zu-
mindest geduldig. Diese beyde letzern wahren zwart wenig von der sache informiret, hörten
mich willig an156. Reichshofrat Friedrich Ernst Graf von Solms (1671–1723), ab 1699
Präsident des Reichskammergerichtes in Wetzlar, bezeugte eine sonderliche freüde undt ver-
gnügen wegen meiner ansprache und vorstellung der hochfürstlichen anhaltischen gerechtsahme
circa successionem lauenburgicam, entretenirte mich mit aller douceur und freünd
ligkeit eine
geraume zeit und sagte mir dabey, daß die sache bereits auff tapis gekommen, aber noch nichts
darinnen resolviret und abgehandelt worden. Er hoffete doch, daß noch vor den feyertagen
darinnen fortgefahren und ad caesarem referiret werden möchte157. Andermüller versuchte
vor allem zu ergründen, wofür die einzelnen Reichshofräte im sachsen-lauenburgischen
Erbstreit votierten. Der Reichshofrat Carl Ludwig von Sinzendorf (ca. 1650–1722)158 ließ
sich nicht weniger in hoc passu wohlwollend heraus, darbey anführende, daß er bereits über
20 jahr in reichshofrath geseßen und niemahlß anders alß auff seithen der heilsahmen justiz
incliniret hette159.
Besonders wichtig erschien es den Anhalter Fürsten, die gegnerischen Reichshofräte
zu beeinflussen. Mit dem herrn von Conbruch – der deutsche Sekretär der Reichskanzlei
und Reichshofrat Kaspar Florentin von Consbruch († 1712) – habe wegen dieser impor-
tanten angelegenheit umb so viel außführlicher gesprochen, als mir sonst vergewißert werden
wollen, daß er seithero gänzlich auff die braunschweig-lüneburgische parthey inclinire, auch
gar nicht, wie vormahlß, guth brandenburgisch sey. Auch der gegnerische Reichshofrat Jo-
hann Hermann Maystetter († 1703), der einer derjenigen ist, die am meisten in dieser sache
vor das gegentheil gearbeitet und das mandatum restitutorium vor Chur Sachsen […] zu wege
gebracht160, wurde mit einem Besuch bedacht. Durch den Residenten und den anhalti-
schen Reichshofratagenten wusste Andermüller über die Machtverhältnisse am Reichs-
hofrat ziemlich genau Bescheid. Beim Reichshofrat Rudolf Kaspar von Söhlen († 1706)
hielt sich Andermüller nicht lange auf, inmaßen es seine [Söhlens] gewohnheit seyn soll,
153 Ebd.
154 Ebd.
155 Das Haus des Grafen Wallstein/Waldstein ist auf der Andermüllerschen Vogelschau vermerkt, siehe
dazu unten Anhang 2, S. 160 Nr. 114.
156 LASA, Z 87, XXI, Nr. 7: 4. Relation vom 4. April 1699.
157 LASA, Z 87, XXI, Nr. 7: 5. Relation vom 11. April 1699.
158 Das Haus des Theodor Graf von Sinzendorf ist auf der Andermüllerschen Vogelschau vermerkt, siehe
dazu unten Anhang 2, S. 157 Nr. 99.
159 LASA, Z 87, XXI, Nr. 7: 5. Relation vom 11. April 1699.
160 LASA, Z 87, XXI, Nr. 7: 3. Relation vom 1. April 1699.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen