Seite - 46 - in Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
Bild der Seite - 46 -
Text der Seite - 46 -
46 Antichambrieren, Netzwerken und das Verfassen von Relationen
sident herr graff von Oettingen hat nun zwart alstets justitiam causae anhaltinae hierinnen
ziemlich agnosciret und mehrmalß cum indignatione die gegenseitige obstinate bezeigungen
und tergiversationes detestiret, gleichwol aber ist durch deßen verhofftes befordersames zuthun
der sache noch wenig geholffen worden, hat man bey ihme sich über den langsamen fortgang
in ermanglender oder verzögernder justiz beklaget, hat er zwart über die heütige verkehrte
weltart selbst sein großes mißvergnügen mehrmahls zu verstehen gegeben und alle solche unbil-
ligkeiten höchlich improbiret, doch dabey sich mehrmahls vernehmen laßen, daß es bey ihme
nicht allein stünde, solchen inconvenientien abzuhelffen194. Der zuständige Referent Franz
Friedrich Freiherr von Andler erwies sich als zu nachgiebig für schriftliche und finanzi-
elle Interventionen, zudem verschlechterte sich sein Gesundheitszustand gegen Ende der
Delegation Andermüllers 1703 mehr und mehr. So blieb es doch bey solchen leeren und
bloßen buchstaben und worten und folgten wohl hiernachmahls in eadem causa noch viel
kaltsinnige decreta, anstatt daß den vorigen immer mit mehrern nachdruck wäre zu insistiren
und den eigenmächtigen usurpirenden und detinirenden hohen gegner, deßen ministri sich
allerwegen durch sichere largitiones sehr intrant macheten, nach anleitung der kayserlichen
reichshoffrath process ordnung und der reichs constitutionen behörige weisung cum effectu wäre
zu thun gewesen und, da man dieses dem herrn von Andler einsten recht deütlich remonstrirete
und vor augen stellete, dorffte er es wohl damit zu entschuldigen trachten, daß seithero des
reichshoffraths autorität fast sehr abnehme195. Schon im November 1701 beschwerte sich
Andermüller in einem Bericht an die Anhalter Fürsten über den Stillstand des Verfah-
rens beim Reichshofrat. Also sind nun bishero alle reichshoffräthe wohl satsam von dieser
successions sache und deren erfolg, der ihnen zwart selbst klärlich vor augen lieget, informiret
und läßet man es auch bey zufälliger conversation und ansprache an dienlichen erinnerungen
niemahls ermangeln, wann nur mit beßern eyffer und nachdruck das werk ihrerseits gefördert
werden wollte196. Mit dem Tod Andlers, der am 18. Oktober 1703 nach einem Schlag-
anfall im Reichshofrat verstarb197, brachen auch die jahrelang aufgebauten Beziehungen
zu diesem für den Erbstreit essentiellen Reichshofrat zusammen. Andermüller besuchte
sogar das Begräbnis Andlers bei den Karmelitern in der Laimgrube (heute: Wien VI, Ma-
riahilfer Straße 27)198. Die Hoffnungen an Andlers Nachfolger waren hoch. Vielleicht giebt
194 Ebd.
195 Ebd.
196 LASA, Z 87, XXIV, Nr. 9, 140. Relation vom 23. November 1701.
197 LASA, Z 87, XXIV, Nr. 10b, 240. Relation vom 31. Oktober 1703: […] nachdem er [Andler] vor 8 ta-
gen im reichshofrat vom schlag gerihret worden und darauf fast sprachloß, doch bey ziemlichen verstande, darnieder
gelegen, ist am verwichenen Mittwoch zu nacht auß dieser zeitlichkeit abgeschieden und gestriges freytags zue erden
bestattet worden. Es ist wohl zu winschen, daß ein tauglicher und gerechtigkeits liebender referent zur beobachtung
der sachßen-lauenburgischen sache wieder nominiret [werden wird], welche [Nominierung] auf einen bloßen glück
stehet und alleinig von herrn praesidennten dependiret.
198 LASA, Z 87, XXIV, Nr. 10b, 242. Relation vom 14. November 1703: Dem seeligen herrn Andler seind
vor etlichen tagen die exequien bey den carmelitern in der vorstadt, auf der Leimgruben genannt, zusamt einer
leichpredigt gehalten worden. Der text ist genommen von jenner vergleichung des heilandes mit Salomon, hier ist
mehr dem Salomon, welches der declamator vielfältig ausgeruffen und wiederholet, der defunctum gegen bemelten
könig, den er in ansehung dieses wienerischen justitiarii ganz gering gehalten, überaus hoch erhoben und gepriesen,
auch unter andern specialiter in comparatione castitatis den guten könig ganz heruntergesetzet, als welcher der
wollust und unkeuschheit mit so vielen weibern ergeben gewesen, da der seelige herr (welcher wortte in infinitum
repetiret worden) mit seinen 5 nacheinander gehabten ehefrauen sich lediglich beholffen und castissime gelebet
circa justitiae administrationem sind auch fürtreffliche elogia gefallen und auf deßen hinterlaßenen anwesenden
secretarium provociret worden, viel andere dinge zu geschweigen, so bey selbiger leichsermon vorfallen und worinnen
theils das decorum von den perorirenden carmeliter nicht alzu wohl beobachtet worden, interim requiescat memoria
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen