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Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
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60 Die Andermüllersche Wien-Vogelschau von 1703 Ein auffälliges Charakteristum des Andermüllerschen Plans liegt in der Darstellung des Lichteinfalles begründet. Insbesondere im Stubenviertel, dem nordöstlichen Stadt- teil, und bei den bürgerlichen Giebelhäusern wird konsequent die nach Osten weisende Dachfläche hell (d. h. beleuchtet), die nach Westen zeigende Dachfläche dunkel (d. h. im Schatten) dargestellt. Ob damit tatsächlich ein Lichteinfall aus Osten und damit eine Aufnahme in den Morgenstunden suggeriert wird, oder ob es sich um eine graphisch- künstlerische Höhung handelt, lässt sich nicht eindeutig entscheiden. Die für die eigentlichen Federzeichnungen verwendete Tinte unterscheidet sich auch bei den bildlichen Elementen in verschiedenen Teilbereichen des Blattes farblich von- einander. Zwei bis drei verschiedene Tintenfarben, eine satt schwarze (u. a. im Bereich des nordöstlichen Stubenviertels der Stadt), eine rot-bräunliche (westlich des Rotenturmto- res) und eine weniger schwarze, eher gräuliche (Bereich Maria am Gestade und Rathaus) lassen sich ausmachen, sodass auch daraus ein – freilich nicht im Detail festzumachender – zeitlicher Ablauf bei der Herstellung der Vogelschau zu erkennen ist262. Das gesamte Blatt wurde zusätzlich farbig gestaltet. Mehrere Schattierungen von Grün finden für den Außenbereich der Stadt, die Böschungen des Stadtgrabens sowie die des Wienflusses Verwendung, mehrere Schattierungen von Rot bezeichnen die gemauerten Teile der Befestigungen, darunter vor allem die Mauerböschungen der Ravelins und der Basteien,263 und schließlich wird die Farbe Blau für den Hinweis auf Gewässer gebraucht, u. a. beim Arsenal und beim Arsenalgraben und an den Rändern des Wienflusses und der Donau, allerdings nicht durchgehend. Ob die Kolorierung bereits auf Andermüller selbst zurückgeht, lässt sich nicht mit endgültiger Sicherheit sagen, ist aber durchaus vorstellbar. Zuletzt ist mit Nachdruck auf die außerordentliche Feinheit und Kleinheit der gra- phischen Ausführung zu verweisen. Sowohl was die Beschriftungen innerhalb der Vogel- schau selbst anlangt als auch was die Darstellung vor allem der herausragenden Gebäude betrifft, weist der ausgeprochen hohe Grad an Schärfe und Exaktheit darauf hin, dass Andermüller sich hier bei der Arbeit einer Lupe bedient haben muss. Gerade diese An- nahme korreliert aber auch aufs beste mit seiner im Alter immer mehr zunehmenden Fehlsichtigkeit264. In Summe lässt sich festhalten, dass die von Georg Bernhard Andermüller 1703 ange- fertigte kolorierte Federzeichnung einer Vogelschau von Wien ein ganz außerordentlich interessantes Zeugnis nicht nur für die hohen Begabungen dieses Mannes, eines Vertreters der universitär ausgebildeten, bürgerlichen Mitglieder der Verwaltung frühneuzeitlicher Fürstentümer, ist, sondern zugleich unser Wissen um das Aussehen des barocken Wien entscheidend erweitert und vertieft. Ganz offenkundig handelte es sich dabei um eine private Initiative, um den Ausdruck individuell-privater Vorliebe für derartige Darstel- lungen, zugleich um den Wunsch, die eigene mehrjährige Gesandtentätigkeit in der Kai- serstadt zu dokumentieren. Wiewohl der anhaltisch-dessauische Amtsträger auch über Kontakte zu Verlegern seiner Zeit verfügte, kam es doch zu keiner Veröffentlichung in Form eines Kupferstiches, wahrscheinlich war daran auch gar nie gedacht. Angesichts der so besonders prächtigen Ausführung der Vogelschau wird man freilich weniger an 262 Freilich ist es nicht möglich, die Dauer der Herstellung dieses Blattes zu eruieren, doch wird man wohl kaum von einer Entstehung binnen weniger Tage ausgehen können. 263 Dabei sind jedoch die Kärntnerbastei gänzlich ohne Farbe und die Löblbastei nur in Teilen rot ausge- führt. 264 Dazu siehe die Hinweise in seiner Biographie im Kontext der auf ihn verfassten Leichenpredigt, oben S. 14 mit Anm. 30.
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Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
Titel
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
Autoren
Ferdinand Opll
Martin Scheutz
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20856-3
Abmessungen
16.9 x 23.9 cm
Seiten
212
Schlagwörter
History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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