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70 Die Transformation des Wiener Stadtbildes in der FrĂŒhen Neuzeit
bĂŒchern, Steuerverzeichnissen und auch Urkunden im Hinblick auf den stĂ€dtischen Im-
mobilienmarkt hervorzuheben ist293. Gerade auf diesem Felde kam es fĂŒr Wien ab der
FrĂŒhen Neuzeit zu einer markanten Ausweitung der Ăberlieferung, und dabei sind ab
der zweiten HĂ€lfte des 16. Jahrhunderts bis ins 18. Jahrhundert die HofquartierbĂŒcher
mit ihrer bis ins Detail gehenden Erfassung des HĂ€userbestandes der Stadt zu Zwecken
der Einquartierung in bĂŒrgerlichen HĂ€usern an hervorragender Stelle zu nennen294. Aus
dem Bereich des literarischen Schrifttums ist auf Stadtbeschreibungen hinzuweisen, wo-
bei nach einer Reihe eher allgemein gehaltener Ăberlieferungen der mittelalterlichen Epo-
che mit dem 1547 gedruckten Werk des Wolfgang Schmeltzl erstmals ein umfassenderer
und detaillierterer Text zu verzeichnen ist295. Der Privatinitiative des BrieftrÀgers Johann
Jordan (1655â1738) verdankt dann die erste gedruckte, âsehr genaue und ordentliche
Beschreibung aller Gassen, Platz, PallĂ€st, HĂ€user und Kirchenâ Wiens ihre Entstehung.
Dabei ist es interessant zu beobachten, wie der Autor sich in der Einleitung zwar MĂŒhe
gibt, sein Werk in die Tradition von antiken Stadtbeschreibungen, etwa eines Strabo ĂŒber
Karthago, einzufĂŒgen, zugleich aber betont, dass er nach den Erfahrungen des ihm ĂŒber-
tragenen Amtes als BrieftrĂ€ger der Erste ist, der die Gassen und HĂ€user der Stadt âin
genaue Ordnung und Zahlâ gebracht hat296. Eine völlig unverzichtbare Hilfe fĂŒr jegliches
wissenschaftliche Eindringen wie auch die Durchdringung der Àlteren Topographie Wiens
bietet â fĂŒr den Raum der ummauerten Innenstadt â nicht zuletzt das von Paul Harrer-
Lucienfeld (1883â1958) in wahrer KĂ€rrnerarbeit zusammengetragene, 17-bĂ€ndige Werk
âWien â seine HĂ€user, Menschen und Kulturâ. âDer Harrerâ bietet darin auf der Grund-
lage der Auswertung der stĂ€dtischen GrundbĂŒcher eine HĂ€usergeschichte der heutigen
Innenstadt297.
Bildliche Ăberlieferungen zum Stadtbild haben im Vergleich zu Textzeugnissen den
Vorzug einer ungleich intensiveren Wirkung auf deren Benutzer. Zugleich ist aber auch
hier eine profunde Quellenkritik bei Analyse und Auswertung völlig unabdingbar. Viel-
fach bilden sie nÀmlich weniger exakt die RealitÀt ab, sondern fokussieren auf einen ganz
spezifischen Entstehungszweck, wÀhlen damit Dargestelltes aus, heben Details hervor und
lassen andere zurĂŒcktreten oder gar weg. Dies gilt sowohl fĂŒr Ansichten, und hier solche
der Gesamtstadt, wie auch von Einzelheiten des Stadtbildes, als auch fĂŒr kartographische
Dokumente im engeren Sinne in Form von StadtplÀnen. Dass es dabei alles andere als
einfach ist, zwischen Ansichten und PlÀnen exakt zu scheiden, zeigt sich gerade im Kon-
text der einschlĂ€gigen BildĂŒberlieferung der FrĂŒhen Neuzeit, die in so mancher Hinsicht
geradezu flieĂende ĂbergĂ€nge zwischen Plandarstellungen, Perspektivdarstellungen, Vo-
gelschauen und Panoramen aufweist. Von maĂgeblicher Bedeutung ist es nicht zuletzt,
dass auf den Entstehungskontext der betreffenden bildlichen Ăberlieferung ganz besonde-
res Augenmerk zu richten ist. Es ist eben alles andere als unwichtig, ob es sich um die Ge-
samtansicht einer Stadt handelt, die als Hintergrund einer biblischen Szene, im Auftrag
der Stadt selbst, im Rahmen einer Dedikation an den FĂŒrsten oder Landesherrn bzw. die
ReprĂ€sentanten der Stadt oder fĂŒr den breiteren Markt eines in dieser Epoche zunehmend
293 Opll, The basis of our knowledge.
294 Vgl. dazu Kallbrunner, Hofquartierwesen; zuletzt Maurer, Hofquartierwesen; dazu auch Re-
scher, Herrschaft und Ressourcenverteilung.
295 Zum Schmeltzlschen Lobspruch vgl. Opll, Innensicht und AuĂensicht.
296 Vgl. Art. Johann Jordan. Wien Geschichte Wiki sowie Fischer, Der Himmel ist nackt 13f. und 29
Anm. 4f.; Huber, Analyse der Topographie.
297 Harrer, Wien; siehe zum Autor auch Art. Paul Harrer-Lucienfeld. Wien Geschichte Wiki.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, EuropÀische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen